Notierenswertes am 25. Juni 2012

Optimierung der Übersetzungstiefe
中文

Übersetzungen sollten ruhig versuchen, auch die weniger häufig aktivierten semantischen Schichten abzubilden und somit transparent zu machen. Im Neudeutschen bleiben dafür allerdings immer weniger Chancen. Ich muss mich ohnehin auf die japanischen Ausschreibungsdokumente konzentrieren.

gestern

Setonaikai, Seto-Binnenmeer oder Kanal-Binnenmeer?

In einem Text hilft es sehr, zu wissen, dass es sich bei Setonaikai um das Seto-Binnenmeer handelt. Auch noch “Seto” zu übersetzen und “Kanal-Binnenmeer” zu schreiben, würde Assoziationen an den Ärmelkanal wecken und epischen Dichter ein nützliches Epithet liefern, aber das muss vielleicht nicht sein.

Übersetzungen sollten ruhig versuchen, auch die weniger häufig aktivierten semantischen Schichten abzubilden und somit transparent zu machen. Im Falle von Setonaikai hat sich glücklicherweise eine gute Wahl eingebürgert. Häufig ist das aber nicht so. Wäre das Wort in unserer Epoche etabliert worden, hieße es bestimmt unter Japanologen Setonaikai und unter Journalisten Seto Inner Sea, vgl die russiche Ölleitung North Stream oder jenes Balett von Tschaikowski, das moderne Konzertagenturen “Swan Lake” nennen.

Die chinesische Sprache ist diesbezüglich noch in einem viel besseren Zustand als die deutsche, die japanische hingegen eher in einem schlechteren. Selbst für das Wort “Internet” hat sich in China eine rein chinesische Bezeichnung 互聯網 (Hùliánwǎng, Interkonnektionsnetz) durchgesetzt, nachdem gerade die Pekinger Terminologie-Planer, von denen man eine den Anglizismen vorgreifende Normierungsarbeit erwartet, das Halbfremdwort Yīngtèwǎng propagiert hatten, das Yīngtè (Inter) als Eigennamen behandelt.

Die Bewegung zur Zerstörung der chinesischen Sprache durch Hineinmischen von unübersetztem Englisch ist allerdings auch nicht zu übersehen. Während vor 20 Jahren die erste Generation des WWW sich dafür die Bezeichnung WànWéiWǎng überlegt hat, schreiben heutige Zeitschriften meistens unvermittelt die englische Silbe “Web” in den Text und glauben wohl, ähnlich wie jene rechthaberischen Sprachplaner, hier die adäquate Übersetzungstiefe gefunden zu haben. Sie übersehen dabei offensichtlich, dass das System der chinesischen Schriftsprache traditionell auch vor Eigennamen nicht Halt macht, weil es keine andere Übersetzungstiefe als nahezu 100% unbeschadet übersteht. Warum sollte man denn auch nicht “Kanal-Binnenmeer” schreiben, wenn das dem Sprachsystem so viel besser entspricht?

Anders als beim Japanischen gibt es beim Chinesischen nicht die Zwischenstufe der Katakana-Lautschrift, die die Desintegration des Systems verträglich macht und ihr schleichendes Fortschreiten erlaubt. Daher droht hier das Umkippen auf breiter Front. Die bislang sehr elegante, prägnante und integrationskräftige Schriftsprache würde zu einer Museumsruine, um die herum das neue englische Gras wächst, Wurzeln schlägt und mit seiner eigenen konkurrierenden Systematik das alte Fundament verdrängt.

Wer davon redet, dass “Sprache” sich sowieso immer “wandele”, versteht offenbar wenig von den dazu erforderlichen Geschwindigkeiten. Wandel besteht aus Verfall und Aufbau. Die Gefahr ist, dass der Verfall viel schneller voranschreitet als der Aufbau, und dass der Aufbau vor allem in der Substitution durch ein fremdes Sprachsystem besteht. Eine Schriftsprache beruht typischerweise auf einem Normensystem, das einige Jahrhunderte lang aufrecht erhalten wird, bevor der Lautwandel dies immer anstrengender macht und einen Zeichenwandel hin zu einem neuen schriftsprachlichen Fundament hin erzwingt. Unsere seit Saussure in der Dekonstruktion der klassischen Schriftsprachkultur geschulten institutionellen Germanisten machen es sich häufig zur Ehrensache, dies nicht verstehen zu wollen und auf das einfache Sprachvolk herabzuschauen, das naiverweise glaubt, dass der Regen von Oben nach Unten falle. Außer durch einen Willen zur “Emanzipation” von jeglicher Zivilisation und insbesondere von jeglicher Nationalkultur ist der Fimmel der sich auf Wissenschaft beruhenden Dekonstrukteure nicht zu erklären.

Mehrwert der Spezialmaschine von Nescafè Dolce Gusto?

Das sofortlösliche Pulver von Getränken wie Mokka (Mocha) schmeckt auch ohne die Spezialmaschine gut. Ich kann nicht einmal einen Unterscheid erkennen. Es scheint sich um ein System zur Erzielung höherer Margen durch Schaffung eines Sondermarktes mithilfe proprietärer Maschinenschnittstellen zu handeln. Eine Schattenseite dabei sind die vielen dafür erforderlichen Einzelverpackungen, nämlich zwei pro Tasse.

Ich habe das bemerkt, weil ich versehentlich einmal eine Schachtel voller Mokka-Einzelverpackungen erworben habe. Derzeit verbrauche ich allerlei angesammelte Getränke, bevor ich neue kaufe.

Linke und DGB gegen (Schadensbegrenzung beim) ESM?

DGB und Linke protestieren gegen den Fiskalpakt. Sie haben offenbar nichts gegen den ESM, nichts gegen die Übertragung der Finanzhoheit des Bundestages nach Brüssel, sondern nur etwas gegen den Teil des Paketes, der den Schaden für Deutschlands begrenzbar halten soll.


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