Sarrazin mit Schein-Maulkorb weiterhin in der SPD

Schwebezustand mittelfristig in beiderseitigem Interesse

Der Bundesbank und dem Bundespräsidenten ersparte Sarrazin freiwillig einen Rechtsstreit, bei dem diese viel riskierten. Der SPD erspart er nun ein Ausschlussverfahren, das interessante Klarstellungen hätte bringen können. Das könnte so für beide Seiten besser sein.

Im Spiegel ist die Erklärung von Thilo Sarrazin nachzulesen, die seine Gegner innerhalb der SPD dazu bewog, ihren Ausschlussantrag zurückzuziehen. Am linken Bildrand gleich vor der Kamera findet sich ein Plakat mit der Aufschrift “Danke Thilo”, das ihm gleich eine neue Heimat nahe legt.

Mit seiner Erklärung hat Sarrazin der SPD eine Auseinandersetzung mit seinen “Thesen” erspart und sich selbst –- in noch zu klärenden Umfang –- einen Maulkorb aufgesetzt:

Bei künftigen Veranstaltungen und Auftritten in der Öffentlichkeit werde ich darauf achten, durch Diskussionsbeiträge nicht mein Bekenntnis zu den sozialdemokratischen Grundsätzen in Frage zu stellen oder stellen zu lassen.

Welche seiner bisherigen Aussagen standen im Widerspruch zu den sozialdemokratischen Grundsätzen und wie sind die zu revidieren?

Gerade bezüglich der Intelligenz erhofften sich viele von Gabriel ein Machtwort, und von dem Delinquenten ein kleinlautes “Und sie vererbt sich doch”.

Immerhin sagt er in seiner Erklärung, dass in der Sache nichts zu revidieren sei:

Ich habe zu keiner Zeit die Absicht gehabt, mit meinen Thesen sozialdemokratische Grundsätze zu verletzen. Sollten Mitglieder der Partei sich in ihrem sozialdemokratischen Verständnis beeinträchtigt fühlen, bedauere ich dies, auch wenn ich meine, dass mein Buch hierzu keine Veranlassung gegeben hat.

Wenn Sarrazin es weiterhin schafft, seine Erkenntnisse mit öffentlichkeitswirksamen Auftritten und Publikationen ohne unnötige Polemik zu untermauern und immer mehr Menschen zu überzeugen, wird die SPD-Führung nicht leichtfertig zahlreiche Sarrazin-Sympathisanten in den eigenen Reihen vor den Kopf stoßen, indem sie behauptet, seine Erkenntnisse seien mit irgendwelchen wolkigen Parteidogmen inkompatibel.

Für Sarrazin hat dieses Arrangment den Vorteil, dass er immer noch in der Öffentlichkeit als sozialdemokratischer Politiker bezeichnet werden kann. Stets wird die Frage im Raum stehen, ob bestimmte Aussagen Sarrazins noch von dem Maulkorb-Versprechen gedeckt sind oder nicht. Die SPD trägt somit weiterhin dazu bei, Aufmerksamkeit für Sarrazin zu generieren, von der sie immer noch eines Tages profitieren könnte.

Falls es doch noch zum Eklat kommen sollte, müsste die SPD Farbe bekennen, und vielleicht wäre bis dahin eine dankbare Partei zum Buch über das Stadium der Geburtswehen hinaus gewachsen.

[ phm | 2011 | April | 23 | Sarrazin | Privat ]
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© 2011-04-23 Hartmut PILCH