Kulturverfall in Kinderfilmen, Euro-Feindseligkeiten

Notierenswertes am 03. Juli 2012
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Gute Kinderfilme sind fast immer mehrere Jahrzehnte alt. Der Sowjetkommunismus dämmte den Kulturverfall zeitweilig ein. Der Euro erweckt längst verschüttet geglaubte Feindschaftsmythen wieder zum Leben.

gestern

Kulturverfall bei deutschen Kinderfilmen

Auf Youtube konnte ich gestern einige alte Verfilmungen von Max und Moritz bewundern. Insbesondere die operettenhafte Verfilmung von 1956 zeigte ein sehr gutes Gespür für die Herkunft der Dichtung aus der Musik. Sie ist geeignet, Kinder in die deutsch-europäische Kulturtradition der Musik und Dichtung einzuführen.

Neuere Filme, die Kindern deutsches Liedgut nahe bringen sollen, fand ich hingegen enttäuschend. Wenn Lieder mit elektronischem Rhythmus unterlegt sind, kann kaum ein Gespür für Musik und Dichtung aufkommen. Die Kinder werden in einen schlechten Geschmack eingeführt. Meiner zweijährigen Tochter mag ich so etwas nicht zeigen, und sie schätzt es auch nicht. Als jemand kürzlich eine CD mit Krächzgesang zu elektronischem Rhythmus auflegte, sagte sie, sie wolle Musik hören, nicht das. Auf die Frage, was denn Musik sei, antwortete sie, “Tschaikoswki ist Musik”.

Seitdem ist noch vieles zum Repertoire ihrer Lieblingsstücke hinzugekommen. Hilfreich waren einige ältere Zeichentrickfilme zu “Karneval der Tiere”, “Peter und der Wolf” und der von Katzen und Hasen gespielten Rhapsodie von Franz Liszt ebenso wie die sowjetrussische Serie “Der Hase und der Wolf”.

Bei letzterer geht es desöfteren unmittelbar um Musik (wie z.B. den Tanz des Wolfs im Schwanenquartett), und die Musik wird durchweg kunstvoll eingesetzt. Viel von der Komik beruht darauf, dass der Wolf ein skrupelloser und zugleich ästhetisch anspruchsvoller Charakter ist. Hin und wieder kommt auch abgestumpfte Musikkultur vor, wie unsere Kindermedien sie propagieren, aber in satirischem Kontext. Beim Lied “Schokoladnyi Zayats” (Schokoladenhase) hält der Wolf sich die Ohren zu, und das Publikum ist auf seiner Seite.

Eurokrise als deutsche Verschwörung

Darauf, dass Deutschlands kommende Generationen die Weltkonjunkturrettung bis mindestens zu Obamas Neuwahl bezahlen sollen, konnte man sich in Angelsachsen und Südeuropa schnell einigen. Die passenden Theorien von der Schuld des Sündenbocks sind auch schon lange da und werden von einem beachtlichen Teil der deutschen öffentlichen Meinung gefördert.

Jetzt setzen Artikel in prominenten Zeitungen dem noch die Krone auf. Der Euro erweckt längst verschüttet geglaubte Feindschaftsmythen wieder zum Leben. Um ihnen entgegenzutreten, muss man sich zunehmend des Arguments bedienen, die Deutschen hätten den Euro nie gewollt. Dies trifft allerdings wohl nur auf das Volk, nicht auf die von ihm in Wahlen immer brav bestätigte Polit-Elite zu. Deshalb lässt es aufhorchen.

Innerkatholisches Gerangel um Kommunion der Geschiedenen

Die Ewigheutigen können es nicht ertragen, dass die katholische Kirche andere Götter hat als sie selbst. Die Regeln, denen sie sich verpflichtet sieht, stehen unter anderem in Matthäus 5,31-32. Dort sagt Jesus:

Es ist auch gesagt: “Wer sich von seinem Weibe scheidet, der soll ihr geben einen Scheidebrief.”

Ich aber sage euch: Wer sich von seinem Weibe scheidet (es sei denn um Ehebruch), der macht, daß sie die Ehe bricht; und wer eine Abgeschiedene freit, der bricht die Ehe.

Das neueste Argument gegen die Ausgrenzung der Geschiedenen aus der Kommunion ist, dass auch Verbrecher nach Absolution wieder zugelassen würden. Solche Analogie-Argumente sind oft schwach.

Der Verbrecher bekommt ohne Sühne keine Absolution. Diejenigen, die ihr Eheversprechen gebrochen haben, wollen dafür aber nicht sühnen. Sie wollen einfach, dass die Kirche auf ihre Wertmaßstäbe verzichtet. Wozu wollen sie dann aber noch die Kommunion?

In Netzforen wird die Kommunion meistens von Leuten gefordert, die aus ihrer Verachtung für den Katholizismus ohnehin kein Hehl machen und sich nur für diesen interessieren, wenn es mal wieder etwas über innerkatholische Kontroversen zu berichten gibt.

Man kann nur immer wieder Klonovsky zitieren:

Der Atheismus wird immer geistloser, die Papstkritik immer peinlicher.

Ein Bekenntnis zum Katholizismus ist – sogar für einen gottlosen Nichtchristen – inzwischen eine Frage des guten Geschmacks

CO2-Konto für jeden

Ökonomen der Wiener Schule schlagen vor, jedem Menschen ein CO2-Kontingent zuzuweisen und auf dieser Grundlage einen Emissionshandel zu betreiben. Als Dolmetscher von Fachkonferenzen über Emissionshandel finde ich solche Gedankenspiele interessant. Ich selber könnte bei einem solchen System wahrscheinlich Emissionsreduktionszertifikate erhalten und verkaufen. Allerdings wären die Buchführungs- und Transaktionskosten wohl höher als die Verkaufserlöse.

Seehofer gegen “europäischen Monsterstaat”

Wenn Seehofer diesmal Wort hält, können Schäuble, Gabriel und Oettinger einpacken. Die von WAMS ermittelten 43% Befürworter der Vereinigten Staaten Europas (VSE) bekommt man nur durch ein monatelanges mediales Trommelfeuer der überzeugten Europäer erhöht, die vor dem Rückfall in monströse Zeiten warnen.

Verheugens Vorwürfe an Monti

Verheugen meint, Monti habe mit Merkel kürzlich in Rom getroffene Absprachen gebrochen und plötzlich den Wachstumspakt als Druckmittel eingesetzt. Mir kommt diese Geschichte noch immer nicht plausibel vor. Laut italienischer Presse setzten Monti, Rajoy und Hollande ihre noch immer zurückgehaltene Unterschrift unter das Gesamtpaket aus Fiskalpakt, Rettungsschirm und weiteren Vereinbarungen als Druckmittel ein, was plausibel war. Normalerweise hätte man allerdings umgekehrt von Merkel erwarten können, dass sie den Zinssubventionen nur dann zustimmt, wenn im Gegenzug das “Wachstumspaket” geopfert wird. Diesen Weg hatte ihr aber die rotgrüne Opposition in Berlin erschwert.


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