PILCH Hartmut 2015/w09

“Kalenderwoche 10”

Hier versuchen wir uns Überblick über das Thema PILCH Hartmut in der 09ten im Jahr 2015 begonnenen Woche zu verschaffen.

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Facta Septimanae

d1 Montag

150302

19:00 Bagida-Demo

d2 Dienstag

150303

d3 Mittwoch

150304

d4 Donnerstag

150305

Pharma-Konferenzdolmetschen Japanisch-Englisch

製薬会議日英同時通訳

d5 Freitag

150306

Konferenzdolmetschen

d6 Samstag

150307

d0 Sonntag

150308

能否滑雪?

Vormonatsteil, Falschflaggenoperation, Technizität: Benennungswille als gemeinschaftlicher Muskel

Gestern ging eine Woche zu Ende, deren Sonntag im März lag, wohingegen alle anderen Tage im Februar lag. Mit solchen Wochen geht mein Dokumenterzeugungssystem in besonderer Weise um, und um diese zu erklären, brauche ich ein Wörter wie “Vormonatsteil” und “Nachmonatsteil”. Diese Wörter erscheinen in manchen automatisch erzeugten Navigationselementen. Dort, wo Unterstützung für die gewünschte Sprache noch fehlt, erscheinen sie auf Lateinisch. Pars Mensis Anterioris, Pars Mensis Posterioris. Pars Anterior, Pars Posterior.

Wenn man einen Muskel nicht betätigt, verkümmert er. Auch die Willenskraft des Individuums ist so ein Muskel. Die des Volkes und speziell Sprachvolkes ebenso. Wo der Benennungswille verkümmert, dringen die Fremdwörter ein. In verschiedenen Sprachen sind die Schwachstellen und somit Angriffspunkte unterschiedlich. Die lateinische Sprache kann wohl nicht so gut wie die deutsche in sich geschlossene Komposita aus drei Teilen bilden. Aber auch in der deutschen klappt das nur gut, wenn man dabei endungslose Wörter wie “vor” und “nach” verwenden kann. Sobald Adjektive hineinkommen, klappt es schlecht. “Späterermonatsteil” und “Früherermonatsteil” lässt sich nur mit viel Widerwillen bilden, da man die Nominativendung des Adjektivs weder gebrauchen noch ohne weiteres auslassen kann. An solchen Stellen weicht man heutzutage bei der Benennung noch bereitwilliger als sonst auf Anglizismen aus. Um Wörter wie “Letztminutenflug”, “Zweithandladen” oder, gerade wieder tagesaktuell, “Falschflaggenattentat” zu bevorzugen, bedarf es schon besonders großer Entschlossenheit. Die deutsche Sprache erscheint aufgrund der Zusammenschreibung und aufgrund alter Gewohnheiten der Kompositabildungsfreudigkeit diesbezüglich stark, aber das täuscht. Gerade daran, dass die Kompositabildungsfreudigkeit heute auffällt, zeigt sich, dass sie im Rückzug begriffen ist. Diesen Rückzug unterstützt eine Zeitgeistpropaganda, zu der auch Germanisten unter anderem mit ihrem Kampf gegen angeblich bürokratische Juristensprache und mit ihrem jährlichen Unwortwettbewerb beitragen.

Im Japanischen sind Komposita relativ leicht zu bilden, aber dort wo sie das nicht sind, dringen Anglizismen vor. Das ist zum Beispiel dort der Fall, wo urjapanische und sinojapanische Elemente aufeinander treffen und deren Mischung irgendwie unelegant erscheinen könnte. Die Gewohnheiten der Sprecher sind ähnlich wie Muskeln. Wenn die Fähigkeit zur Benennung in der eigenen Sprache abnimmt, lässt sie sich nicht so leicht wieder antrainieren. Frühere Gewohnheiten der Übernahme aus dem Chinesischen bedingen heutige Gewohnheiten Übernahme aus dem Englischen.

Auch die Aversion der Engländer gegen eigenschöpferische Wortbildung hängt wohl mit tausendjähriger Französischhörigkeit zusammen. Auch das heute wieder erstarkende Englische scheint sich davon noch immer erst langsam zu erholen. Die “Technizität” einer Erfindung wurde von deutschen Patentrichtern stets diskutiert, wenn es darum ging, zu entscheiden, ob die fragliche Idee etwas über Naturkräftekausalitäten lehrt und somit patentfähig ist, oder ob sie im Gegenteil im Bereich der patentunfähigen Software liegt und eine “Organisations- und Rechenregel” darstellt. Beim Versuch der Übernahme dieser deutschen Rechtsprechung in die vorwiegend englischsprachige Rechtsprechung des Europäischen Patentamtes tat sich letzteres auch deshalb schwer, weil seine englischsprachigen Richter weniger Souveränität im Benennen neuer Gesprächsthemen mit passenden Wörtern zeigten. Es ist schwer, einem Engländer so etwas wie “technicity” schmackhaft zu machen, obwohl “technicality” bereits mit einer völlig inkompatiblen Bedeutung vorbelegt ist und “technicity” genau der lateinischstämmigen Morphologie entspricht, die im Englischen noch stärker verankert ist als im Deutschen. So kam es zu Diskussionen über “technical character”, was auch an Bedeutungen wie “zur Implementationsebene gehörend” denken ließ, und Versuche, die besondere Bedeutung im patentrechtlichen Kontext an Naturkräftelehren fest zu machen, unterblieben weitgehend. Der Wille zur prägnanten Benennung von Begriffen, die zur Diskussion benötigt werden, ist eben wie ein Muskel. Seine Schlaffheit in der englischsprachigen Tradition wird zum Durchbruch der Softwarepatentierung in Europa ihren kleinen Teil beigetragen haben. Allerdings dürften die Zeiten, in denen der deutsche Benennungswille stärker entwickelt war, auch vorbei sein oder zu Ende gehen.

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© 2006-02-19 Hartmut PILCH