Notierenswertes am 19. April 2011

Hartmuts Betabloggereien des Tages
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Wenn meine dazu gehörigen Betaprogrammierereien weit genug kommen, könnte hieraus einmal der Materialeingang für eine mehrsprachige Wissensfabrik zu einigen Themen werden, die mich interessieren.

EU-Rat im Kreuzfeuer

Robert Menasse widerspricht Hans-Magnus Enzensberger und Jürgen Habermas, die die EU als Monstrum kritisiert hatten. Er hält das Europäische Parlament und die Kommission für Motoren des Fortschritts und sieht im Rat das Problem. Dort liege die Ursache dafür, dass die Bürger dem europäischen Gedanken skeptisch gegenüberstehen, denn die 27 Staats- und Regierungschefs und ihre Minister verträten zunehmend nur noch “die Interessen nationaler Eliten und machtvoller Konzerne”.

Es stimmt, dass der Rat eine besonders intransparente Bastion autokratischer Lobbies (wie z.B. der Europäischen Patent-Oligarchie) ist. Er existiert jedoch aus einem guten Grund, der Menasse missfällt. Der Rat soll die Souveränität der Mitgliedsstaaten gewährleisten, Menasse will sie abschaffen. Von Menasses Prämisse aus lässt sich leicht argumentieren, aber auf eine derartige Prämisse ist die EU nicht gebaut worden. Ein demokratisches Mandat zur Abschaffung der Nationalstaaten, wie Menasse es sich wünscht, gibt es nicht. Um es herbeizuführen, könnte man eine EU-weite Abstimmung für eine neue EU-Verfassung durchführen. Mit einer solchen Abstimmung könnte man auch die Hürden des bundesdeutschen Grundgesetzes überwinden, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Lissabon-Urteil und dessen Vorgängern herausgearbeitet hat. Damit aber die EU-Bürger ebenso wie Menasse die Überwindung ihrer Nationalstaaten als “Desiderat” ansehen und in seinem Sinne abstimmen, müssten Menasse und Freunde noch eine Menge Überzeugungsarbeit leisten.

Abklingender AUM-Rausch

s. Fukushima

Polizeimacht statt Angst?

Die Bemühungen des AK Vorrat und der Kampagne “Freiheit statt Angst”, die auf EU-Ebene beschlossene Vorratsdatenspeicherung nachträglich zu Fall zu bringen, dürften wohl nun endgültig gescheitert sein.

Ich konnte mich nie für eine der beiden Seiten dieses Konfliktes begeistern. Letztlich sind es zwei Seiten, die ihre Besitzstände angesichts der digitalisierten Rahmenbedingungen wahren und im Zweifelsfall erweitern wollen.

Digitalisierung treibt alles auf die Spitze und zwingt zu Schwarz-Weiß-Entscheidungen, wo früher Grautöne möglich waren.

Das Brief- und Telekommunikationsgeheimnis war noch nie wirklich unverletzlich. Es gab da nur eine Hürde, die durch richterliche Anordnung genommen werden konnte. Um das selbe im Internet durchzusetzen, braucht man die Verbindungsdaten. Ohne die Verbindungsdaten geriete die Polizei gegenüber dem Verbrechen ins Hintertreffen, mit ihnen könnte sie ein übermächtiger Großer Bruder werden. Das Bundesverfassungsgericht hat daher an die Umsetzung der VDS-Richtlinie strenge Anforderungen gestellt. Andererseits hat es sie unter diesem Vorbehalt für verfassungskonform erklärt und somit den Weg für ihre Umsetzung freigegeben. Die abschlägige Antwort der Europäischen Kommission auf die letzten Verzögerungsversuche der bürgerrechtsbewegten Justizministerin war abzusehen. Die ebenso bürgerrechtsbewegte EU-Kommissarin muss als “Hüterin der Verträge” den schwarzen Peter übernehmen.

Man kann sich fragen, ob die EU nicht ihre Kompetenzen überschreitet, wenn sie im Namen der Vereinheitlichung des “Binnenmarktes” in Fragen von weitaus grundsätzlicherer Bedeutung der nationalen Entscheidungsfindung vorgreift . In der Kombination von Grundrechtsbedenken mit Euroskepsis liegt das einzige einigermaßen starke Argument für die Rücknahme der VDS-Richtlinie. Aber dieses Argument wurde m.W. nicht vorgetragen.

Für eine vorsichtige Erweiterung der Polizeikompetenzen spricht die wachsende Unübersichtlichkeit, die mit der zunehmenden Personenfreizügigkeit und Globalisierung einhergeht. Auch aus diesem Grunde müsste eine Grundsatzkritik an zunehmender polizeilicher Überwachung mit einer antiglobalistischen, euroskeptischen Ausrichtung einhergehen, um halbwegs stimmig zu wirken. Auch davon ist jedoch nichts zu erkennen.

Kognitive Dissonanz und Politische Korrektheit

Manfred Klein-Hartlage hat die Mechanismen, auf denen die Hegemonie der Hypermoralisten beruht, noch einmal sehr gut analysiert:

Da Fakten keine Rolle spielen, die ideologisch begründete Wirklichkeitsbeschreibung also nicht unter Berufung auf Tatsachen angefochten werden kann, gibt es auch keinen Maßstab für individuelle Urteilsbildung. Menschen, die konditioniert wurden, wahr/unwahr mit gut/böse zu vermengen, sind buchstäblich unfähig, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen.

So funktioniert auch der Angriff auf Thilo Sarrazin. Man wirft ihm vor, er habe bestimmte sozial benachteiligte Gruppen angegriffen. Diesen Vorwurf stützt man darauf, dass er eine für diese Gruppen wenig schmeichelhafte Wirklichkeit beschreibt. Damit ist Sarrazin böse. In einem zweiten Schritt bezichtigt man ihn dann vielleicht auch noch, “unhaltbare Thesen” aufgestellt oder “zweitklassige Theorie” produziert zu haben, aber das wird nur beiläufig erwähnt und nicht belegt. Um den missliebigen Analytiker loszuwerden genügt es, ihn moralisch zu diskreditieren, indem man seine Faktenaussagen zu Personenaussagen umdeutet.

Die Tyrannei der politischen Korrektheit entsteht fast von selbst überall dort, wo eine Fernsehkamera auf Vertreter schwacher oder vermeintlich sozial benachteiligter Gruppen gerichtet wird. Wer diesen mit verbaler “Empathie” oder “Nächstenliebe” begegnet, also ihnen schmeichelt, ist erst einmal der Gute. Und er wird sich ungern einen Spiegel vorhalten lassen. Vielmehr wird der Durchschnittsgute das errungene Terrain dadurch zu verteidigen suchen, dass er wahrheitsbasierte Fragestellungen tabuisiert. In der Welt des Fernsehens und sonstiger auf sehr kleinem gemeinsamen Nenner und geringer Bildung aufbauender öffentlicher Diskussion entsteht somit die Hegemonie der PC fast von selbst, und es erfordert viel Kunstfertigkeit und politische Entschlossenheit, dagegen vorzugehen.

Praktikable Europäische Solidarität mit Italien

Wir scheinen uns zügig dem Szenario des Romans “Heerlager der Heiligen” von Jean Raspail zu nähern. Gaddafi hat vor ein paar Tagen angekündigt, 15000 Strafgefangene auf Italien loslassen zu wollen. Es ist auch anzunehmen, dass unter den illegalen Bootsmigranten, die Italien auf freien Fuß setzt und mit Schengen-Visa ausstattet, solche sind.

Sarrazin warnte vorgestern abend bei Anne Will, dass der Fluss schnell zu Millionengröße anschwellen könnte und forderte die sofortige Rückführung der Kutterinsassen nach Aufgreifen auf hoher See. Das könnte Frontex gewährleisten, aber es wird von Forderungen nach Gewährleistung eines Asylverfahrens vereitelt.

Die Regel müsste lauten, dass wer sich an gewerblich organisierten Grenzverletzungen beteiligt, keinen Anspruch auf so ein Verfahren hat.

Diejenigen, die bereits angekommen sind, müsste man wegen organisierter Grenzverletzung im Gefängnis beherbergen und nach Abbüßung der Strafe in Abschiebehaft lassen, bis sie repatriiert sind. Im Gefängnis könnte man, wenn es denn sein muss, auch ein summarisches Asylverfahren durchführen.

Alles andere ist würdeloser Eiertanz.

Tunesien will für jeden Repatriierten einen von der EU finanzierten Dauer-Arbeitsplatz. In Athen besetzen die Illegalen den Bereich um die Akropolis und ruinieren den Tourismus. All das kommt von einem EU-Recht, das seine vorgegebenen Zwecke verfehlt und daher seine Hoffnungen in die Herkunftsländer setzen muss. Aber die wollen ihren revolutionären Jugendüberschuss loswerden.

Italien sollte den Schengener Raum und die EU verlassen. Es wäre für alle das beste. Vor lauter Transfergemeinschafts-Denke haben die politischen Muttersöhnchen (bamboccioni) verlernt, auf eigenen Füßen zu stehen und sich Problemen zu stellen. Auch die vermeintlich politisch inkorrekte regionalistische Lega Nord tanzt nur dort aus der Reihe, wo sie Italienern und anderen Europäern schaden kann. Wenn es um die Verteidigung Italiens oder Europas geht, fehlt ihr jede gesetzgeberische Vorstellungskraft.

Es wäre schön, wenn die CSU-Sicherheitspolitiker Friedrich, Herrmann und Uhl diese Vorstellungskraft aufbrächten und im EU-Rat Reformen anstoßen könnten, die Italien von seinen Fesseln befreien. Eine Rechtsgrundlage findet sich in Art 3 der UN-Erklärung zum Asylrecht von 1967, der Sondergesetze bei drohender systematischer Grenzverletzung erlaubt. Genau das wäre die Solidarität, die wir Italien wirklich schuldig sind, auch wenn es nichts tut, um sie einzufordern.

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© 2011-04-01 Hartmut PILCH