In scheinbaren Nebensächlichkeiten des Sprachgebrauchs verrät man sehr viel über sich selbst. Man steht in der täglichen Kommunikation ständig vor der Wahl zwischen dem Weg des geringsten Widerstandes und dem steileren Weg nach oben, der das eigene Denken ebenso wie das der anderen Menschen voranbringt. |
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Es liegt an uns, die Regeln zu entwickeln oder verwahrlosen zu lassen, mit deren Hilfe reichhaltige und reibungsarme Kommunikation ermöglicht wird. Was gut für das Gemeingut Sprache ist, macht sich auch oft unmittelbar in gutem Simultandolmetschen bezahlt. Manchmal ist die Wahl nicht einfach. Wir versuchen, dies anhand von Beispielen aus der Erfahrung in Sprachmittlung und Datenverarbeitung bei A2E verständlich zu machen. Offene Standards verwendenWer MSWord-Dokumente an Unbekannte schickt oder im Netz veröffentlicht, trifft damit Annahmen über die Software, die der Adressat auf seinem Rechner installieren soll. Damit tritt der dem Adressaten ziemlich nahe. Eigentlich sollte es niemanden etwas angehen, wer welches Werkzeug verwendet. Zur Verständigung braucht man eine bestimmte Sprache, nicht ein bestimmtes Sprech- oder Schreibwerkzeug. Microsoft vergleicht in Anzeigen seine Software mit Sprachnormen früherer Zivilisationen und schreibt zu Recht “Die beste Werbung machen andere für uns”. Dabei verweist Microsoft auf Zeitungsanzeigen, in denen Bürokräfte mit Kenntnissen in “Word, Excel, ..” etc gesucht werden. Das ist in der Tat eine Form der Schleichwerbung. Microsoft ist zwar von den EU-Kartellbehörden zu allerlei Strafen verurteilt worden, aber man fragt sich, ob wirklich Microsoft selber die Hauptverantwortung für die Wettbewerbswidrigkeiten trägt. Sind es sind vielmehr unzählige Computer-Nutzer, die täglich die Monokultur fördern und dadurch die Freiheit ihrer Mitbürger beschneiden? Besondere Verantwortung tragen natürlich Hersteller, die “designed for Microsoft Windows” auf ihre Produkte kleben und unter “Systemvoraussetzungen” keine offene Standards sondern nur proprietäre Produkte auflisten. Aber auch hier läge es zuerst an den Bürgern, solche Hersteller zu boykottieren. Wir sollten hier noch praktische Hinweise für diejenigen entwickeln, die aus der Monokultur aussteigen möchten. Zunächst mal die folgenden:
Effiziente Verwendung von E-Post (E-Mail)Mir ist es unerklärlich, wie manche Leute einerseits sich als Berater für “interkulturelle Kommunikation” verkaufen wollen und andererseits das Medium E-Post oder auch das der Telefonie in sehr gedankenloser Weise einsetzen. Einem Kommunikationsberater geht es doch wohl darum, möglichst störungsarme Kommunikationsprotokolle zu entwickeln und diese im Hinblick auf besonders störungsanfälige Situationen (in denen etwa mehrere Kommunikationsnormen/Kulturen gleichzeitig zum Einsatz kommen) robuster zu machen. Wie kann interkulturelle Kommunikation gelingen, wenn der Kommunikationskanal schon im monokulturellen Kontext vor lauter Rauschen immer wieder zum Erliegen kommt? Zu diesem Thema gibt es schon ein paar Texte, die wahrscheinlich besser sind, als was ich hier schreiben könnte:
Intelligente Wesen als Zielpublikum wählenMan sollte auch dann vollwertige Informationen liefern, wenn das Zielpublikum vielleicht zu unbeholfen oder uninteressiert ist, um sie wirklich zu verwenden. Das heißt z.B. dass man fremdsprachliche Namen in einer standardisierten Umschrift möglichst so wiedergibt, dass jemand, der die fremde Sprache kennt, daraus entnehmen kann, wie genau diese Namen zu sprechen sind. Ein Großteil der heutigen Werbung und Öffentlichkeitsarbeit zielt auf den “DAU” (Dümmsten Anzunehmenden User). Vielleicht fällt nur dieser wirtschaftlich ins Gewicht, denn er ist relativ zahlreich vertreten und – wohl noch wichtiger – ihm kann man am besten das Geld aus der Tasche ziehen. Welches Zielpublikum sich jemand gewählt hat, lässt sich allerdings ziemlich schnell erkennen. Es ist einer der Punkte in der Sprache, mit denen man seine Gesinnung schnell verrät. Eigendefinitionen statt AnglizismenHäufig ist es verlockend, englische Wörter in die eigene Sprache einzuflechten, weil die ja “sowieso jeder versteht”. Aber es reicht nicht, irgendwie verstanden zu werden. Es kommt auch darauf an, Zeichen zu verwenden, die mehr aufklären als imponieren, und dabei das Zeichensystem als ganzes in einem ebenso guten Zustand zurückzulassen, wie man es vorgefunden hat. Was im Englischen gut funktioniert, tut es im Deutschen noch lange nicht. Das merkt man u.a. schon daran, dass man auf Anglizismen diverse Regeln, von der Aussprache und Intonation bis hin zur Morphologie und Syntax, nicht anwenden kann und gezwungen ist, zwischen mehreren Systemen hin- und her zu springen. Ein Simultandolmetscher hätte dafür keine Zeit. Eine gute Methode im Umgang mit Anglizismen besteht darin, dass man das Original-Wort, an das man dachte, nennt und anschließend gleich provisorisch übersetzt. Man kann dann im weiteren Text die Lehn-Übersetzung verwenden, ohne zu befürchten, dass terminologische Verwirrung entsteht. In schriftlichen Texten tut man dies gerne durch Angabe in einer kommentierenden Parenthese, z.B. “Privatheit (privacy)”. Beim Dolmetschen wird man eher “privacy, Privatheit” sagen und damit eine Art lokale Wortdefinition durchführen. Ob diese Definition auch im Duden steht, ist erst mal egal. Zur Sprachethik gehört wesentlich dazu, dass man sich auch traut, die Funktion des Benennens von Sachverhalten in transparenter und eigenverantwortlicher Weise auszuüben. Andererseits muss man nicht unbedingt immer mit eigenen Lokaldefinitionen wie “E-Post (e-mail)” gegen den Strom schwimmen. Das ist manchmal zu ermüdend. Wer die Mühe scheut, wird andererseits leicht von denen stigmatisiert, die einen Sinn für Sprachethik pflegen. Oder wenigstens befürchtet er dies, und schießt vorbeugend mit dem Vorwurf des “lächerlichen Sprachpurismus” zurück. Hieraus entwickelt sich eine bisweilen hitzige öffentliche Debatte, bei der die meisten Leute vor allem bestrebt sind, den Schusslinien auszuweichen und diverse Mittelpositionen einzunehmen, auch wenn diese in sich nicht besonders stimmig sind. Der ethische Konflikt ist letztlich nicht aufzulösen, egal wo auf dem abschüssigen Hang man sich positioniert. Die Sogkraft des Englischen bringt alle anderen Sprachnormen ins Trudeln. Schon fast kurios erscheint dabei die periodisch in den Medien verbreitete Antwort einiger ehrwürdiger Sprachwissenschaftler aus dem Umfeld der Gesellschaft für die deutsche Sprache, die zur “Gelassenheit” mahnen. Diese Wissenschaftler nehmen einen rein beobachtenden (“deskriptiven”) Standpunkt ein, der die ethische Dimension ausblendet. Diese reduktionistische Sicht steht in einer guten Tradition (Saussure ..) und erleichtert die Analyse vieler sprachlicher Phänomene. Sie erlaubt uns auch, einigen Verfalls-Erscheinungen positive Seiten abzugewinnen und insoweit tatsächlich gelassener zu reagieren. Einige der Wissenschaftler sehen jedoch nicht die Grenzen ihrer methodischen Postulate und machen daraus eine Ideologie, die man “Sprachnaturalismus” nennen könnte. Indem sie die Sprache als Naturphänomen darstellen, fliehen sie vor der menschlichen Wirklichkeit. Wer die heutige Anglizismendebatte wissenschaftlich begleiten möchte, kommt nicht umhin, Kommunikation als ein Feld des menschlichen Handelns mitsamt seiner ethischen Dimension zu beobachten und zu beschreiben. Es gibt natürlich auch Linguisten, die dies tun. Wir sollten versuchen, sie hier zu rezipieren. Weiterführende Links
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