Die Globalisierung bewirkt in Afrika keine Entwicklungswunder. Berlin positioniert sich als Sündenbock für Afrikas Schiffbrüchige. Europa hat die Völkerwanderung mit dem Nichtzurückweisungsprinzip von 1967 und 2012 vorprogrammiert, und die die Entwicklungspartnerschaft hat darauf keinerlei Einfluss. |
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Humanitärschlepper “retten” am Wochenende 3000 vor LibyenDie Humanitärschlepper von Sea-Watch rühmen sich gerade wieder, im Mittelmeer “3000 Menschen gerettet” zu haben. Erst vor einem Monat machte diese Gruppe durch Zusammenstöße mit der libyischen Küstenwache auf sich aufmerksam. Führende Industrieländer laden geschichtsträchtig in Berlin zur G20-Afrika-Konferenz. Nachdem man Ostasiens Erfolg unsachgemäß der “Globalisierung” zugeschrieben hat, will man ihn in Afrika wiederholen. Das Bundeswirtschaftsministerium malt in einem Eckpunktepapier allerlei Wunschvisionen für “Privatinvestitionen in die Infastruktur” aus. Aus Afrika soll gewissermaßen ein “ebenes Spielfeld” (level playing field) werden, auf dem private Akteure wie Nestlé das tun, was dortige Regierungen (d.h. einzuebnende Silos) nicht schaffen. Anne Jung von Medico International berichtet:
Regierung und Zivilgesellschaft spielen mit verteilten Rollen. Während die Regierung die Globalisierung als Wirtschaftswunderwaffe anpreist, macht Anne Jung uns vorsorglich zu Sündenböcken, die gefälligst für die Schiffbrüchigen aufzukommen haben:
Offene Grenzen sind ungerecht und gefährden MenschenlebenKlaus Geiger spricht in Welt.de prägnant den Kern unseres Völkerwanderungsproblems an:
Zunächst zahlt der Autor den frommen Lügen von der Gleichheit des Humankapitals auf allen Kontinenten und der Globalisierung als Quelle ungeheurer Kräfte Tribut. Vielleicht glaubt er sie auch selber. Globalisierung: einheitlicher Raum mit weniger GewinnernVon Paul Collier (The Bottom Billion, 2008) hätte man lernen können, dass manche Gelegenheiten zur Bildung von produktiven Anballungen nicht ein zweites mal anderswo wiederholt werden. Es gibt keinerlei Anzeichen für ein afrikanisches Wirtschaftswunder. Als ich kürzlich in Frankfurt die Konferenz der Welttextilindustrie simultandolmetschen durfte, kamen die Hälfte der Teilnehmer aus China. Sie repräsentierten 2/3 der Textilindustrie der Welt. Tendenz steigend. Kenia war als einziges afrikanisches Land vertreten. Ein Inder sprach dort für Kenia. Er wollte mit Bangladesch in Niedriglohnkonkurrenz treten. Aber Niedriglohnkonkurrenz funktioniert kaum noch. Auch genau deshalb reden andere von der Mittel-Einkommens-Falle (middle income trap). China fällt aber nicht in diese Falle. Eher stößt es nach ganz oben durch, und Europa sinkt ab. Die Innovation in Industrie 4.0 spielt in China. Dazu hat China die roboterisierte Massenproduktionsbasis und das Humankapital mit dem passenden Durchschnitts-IQ. In Bereichen wie Textilindustrie aber auch Eisenbahnwesen und dem meisten anderen spielt die Musik in China. Die Masse bringt den Bedarf nach Kostensenkung der wiederum Innovationsbedarf erzeugt. Deutschland ist historisch bedingter Partner Chinas in dessen Strategie “Made in China 2025”. Das deutsch-chinesische Duo hat in Industrie 4.0 das Zeug zur Weltherrschaft. Das sagen beide Seiten auch offen. Sie wissen, dass man überall gerne mit möglichst wenig Teilnehmern möglichst viel kritische Masse anstrebt, um einen möglichst großen Raum zu beherrschen. Von “goldener Partnerschaft” sprach Premier LI Keqiang letzte Woche in Berlin, wo ich auch im Umfeld dolmetschte. Humanitärrecht aus Genf 1967 und Straßburg 2012 bleibt unthematisierbarFür Welt-Autor Klaus Geiger war offenbar ein Tribut an die Egalitärfrömmelei fällig, nach der sich Merkel und die an einer gemeinsamen Massenpsyche partizipierende politische Klasse richtet. Es ist die von bürgerlicher Höflichkeit diktierte Massenpsyche, die hier offenbar auf emotionaler Ebene funktioniert und umso unbeirrt wie ein Block marschiert, wie sie angesichts erster “populistischer” Abspaltungsbewegungen irritiert ist. Klaus Geiger fährt fort:
Der Artikel zeigt auf, wo das Problem liegt, und betreibt einen großen Aufwand, um den Versuch, sich mit dieser selbstverschuldeten Ursache zu beschäftigen, zu rechtfertigen. Die Massenpsyche der politischen Klasse ist hierzu noch immer nicht bereit. Und die Gruppen, die sich abspalten, reden auch lieber über andere Themen, bei denen man selbst sich in der Opferrolle befindet. Hauptsache man kann die Harmonie innerhalb der eigenen Massenbewegung pflegen. Die bürgerliche Höflichkeit verbietet das Ausgrenzen. Zum Hassen braucht man Schlepper, Terroristen, Superreiche, Populisten und Unmenschen in möglichst anonymer Form, wenn man höflich bleiben will. Sobald ein armer Schlucker oder gar dessen Kind in das Fernsehobjektiv gerät, kapituliert das Bürgertum, und Grenzen brechen ein. Hierauf basieren Geschäftsmodelle von Bilderjournalisten, die sich stets als progressiv verstehen. Mit realen Interessen hat die bürgerliche Höflichkeit nichts zu tun, aber dennoch ist sie die Quelle der herrschenden politischen Ideologien, die irgendwann zu Recht gerinnen. Die einmal unterzeichnete Genfer Flüchtlingskonvention in der erweiterten Fassung von 1967, auf die sich die Straßburger Richter mit ihrem fatalen (aber rechtsdomgmatisch einleuchtenden) Urteil Hirsi & Jamaaa ./ Republik Italien von 2012 einstimmig stützten, ist aus diesem Grund praktisch unumkehrbar. Australiens prekäre LösungMit komplexen Partnerschaften und Schlepperbekämpfungsrhetorik schafft es immerhin Australien, sich die Völkerwanderung vom Leibe zu halten. Auch diese Lösung ist auf ideologisch-juristischen Sand gebaut:
Australiens Einwanderungsminister Peter Dutton behauptet sich gegen die humanitäre Entrüstung, indem es auf freiwillig aufgenommene Flüchtlinge verweist und diese mit Gruselbildern von irregulärer Migration auf untauglichen Booten vergleicht:
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