i2p_pub 08-07

Termine, Pläne, Berichte
English

Was diesen Monat bei uns los ist, was wir zu tun gedenken oder getan haben.

1 Lage

2 Chronik

3 Termine

Bürgerrechtler für Telefonabhörungen

2008-07-15 von phm in München

Bei Heise löste ein Bericht über die Einführung biometrischer Personalausweise in Italien allerlei verächtliche Stammtischkommentare über die politische Situation Italiens.

Wenn die erst mal die italienische Bürgerbewegung für Telefonabhörungen kennen würden:

“Er”, der etwas zu verbergen hat, ist natürlich … Berlusconi. Dass er etwas zu verbergen hat, zeigt sich darin, dass er die in Italien besonders weit verbreiteten Telefonabhörungen einschränken will. Hiergegen laufen in Italien einflussreichste Volksbewegungen Sturm, die man durchaus als “Bürgerrechtler” einordnen könnte.

Andere Länder, andere Sitten, könnte man denken, aber der durchschnittlich Heise-Leser wird sicherlich aufschreien, die Italiener seien dumm, weil sie sein eigenes überlegenes Wertesystem nicht teilen.

Ansonsten eignet sich die Erfahrung mit den Abhörungen recht gut, um eines der schwierigsten Probleme in diesem Bereich aufzuzeigen: wie stellt man sicher, dass die gesammelten persönlichen Daten nicht zu einer Quelle für illegitime Machtausübung wird?

Italien hat zwar wohl keinen Polizeistaat aber etwas ähnliches, einen Staat, in dem Chefankläger (Magistratur) eine autonome Stellung als unabhängige Saubermänner und Heilsbringer einnehmen und daher auch die Mittel der polizeilichen Überwachung gegen alle möglichen Leute richten können, die sie persönlich für verfolgenswert halten, z.B. Berlusconi. Und es gibt eine starke Bürgerrechtsbewegung, die ihre Hoffnungen in eben diese Saubermänner setzt.

Auch sehr interessant ist der Fall SISMI-Telecom-Pirelli, der noch immer von der Magistratur untersucht wird. Da hat sich innerhalb der abhörenden Behörden zeitweilig eine Seilschaft gebildet, welche die abgehörten Daten wirtschaftlich verwertete. Also genau das Szenario, das man für Paranoia von beruflichen Datenschützern und Polizeistaatskritikern halten könnte, ist dort tatsächlich eingetreten. Und die Veruntreuung von Abhörprotokollen, die strafrechtlich irrelevant sind aber wegen schlüpfriger Details in Boulevardzeitungen landen, ist auch eine weite verbreitete Realität.

Trotz all dieser Missstände ist immerhin eines nicht eingetreten: die Entwicklung einer Diktatur oder eines 1984-Szenarios, wie es gerne von manchen Privatheits-Aktivisten bemüht wird. Eine direkte Korrelation von Datenschutz und Freiheit ist in dieser Art nicht ohne weiteres zu erkennen. Manchmal gibt es sogar eine umgkehrte Korrelation: “informationelle Selbstbestimmung” als ein Mittel zur Behinderung des freien Informationsflusses. Wer “informationelle Selbstbestimmung” als absoluten Wert propagiert und jede Minderung dieses Rechts als Etappe auf einem “Weg in die Knechtschaft” sieht, sollte sich dann vielleicht konsequenterweise auch sonst von Friedrich Hayek inspirieren lassen. Man kann schwer einerseits das Kollektiv schwächen und andererseits auf starke Sozialpolitik setzen wollen, wie viele in der traditionellen Bürgerrechtsbewegung es instinktiv tun.

Obwohl “Datenverarbeitung kein Gebiet der Technik” ist, entspricht das Denken des FFII in etwa dem dessen, was in Wikipedia unter Technoliberalismus zusammengefasst und mit Hayek in Verbindung gebracht wird. “Infoliberalismus” wäre vielleicht ein passenderes Wort. Aber auch dieser wird sich nicht ohne sorgfältiges Abwägen von vorneherein gegen jede Veröffentlichung oder Hinterlegung privater Daten wenden müssen.

5 Unterlagen

[ I2P | 08 | Was War | Januar | Februar | März | April | Mai | Juni | Juli| August| September| Oktober| November ]
Gültiges XHTML 1.0! Gültiges CSS! deplate
http://a2e.de/i2p/08/07
© 2007-11-03 Hartmut PILCH