PILCH Hartmut 2017-09

Entwicklungen und Gedanken des Monats

Hier versuchen wir einen Überblick über das Thema PILCH Hartmut im Monat September des Jahres 2017 zu schaffen.

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Selbstbegrenzung, Zonenabgrenzung

Egon Flaig schreibt:

“Eine Grenze zu haben, ist das entscheidende Merkmal aller Existenzen und sogar aller Ideen. Alles Bestimmen und alles Definieren begrenzt das Definierte. Wer Grenzenlosigkeit zum Ideal erhebt, macht die Selbstverdummung zur moralischen Pflicht. Dagegen muß die politische Vernunft Einspruch erheben.”

Thorsten K präzisiert:

Jede höher entwickelte Zelle schützt sich mit einer Membran. So viel Austausch wie nötig, mehr aber auch nicht. Das schöne Wort dafür: Semipermeabel.

Ein Virus, das nur aus der eigenen DNA besteht (also der eigenen “Ideologie”), kapert eine Zelle und stülpt sich quasi über alles und regt die Organellen an, nur noch seine DNA zu reproduzieren. Wenn die Zelle “darauf reinfällt”, dann kann sie sich selbst nicht mehr erhalten und stirbt. Der so reproduzierte Virus hingegen, der zieht weiter und sucht sich einfach einen anderen Wirt.

Wer Subjekt sein will, muss sich anstrengen, um die eigene Zelle zu schützen und nicht zum bloßen Wirt von Viren zu werden. Medizinische Metaphern treffen sowohl auf den Einzelnen als auch auf das politische Subjekt, das Volk, zu. Das Volk ist aufgrund der Allmendentragödie besonders schutzlos, aber auch jedes Individuum muss sich nach außen abgrenzen und nach innen strukturieren, um Subjekt zu werden. Zur innernen Struktur gehört eine Abgrenzung in Zonen. Das Internet darf z.B. nur in der Tagesmitte hochgefahren werden. Manche psychisch infektuöse Aktivitäten sind erst nach und nach freizugeben, und der Wille zur Selbstbeschränkung sollte sich auch in physicher Abschaltung bestimmter Geräte und Programme ausdrücken. Wer sich in Versuchung führt, verrät seiner Psyche, dass er es gar nicht ernst meint, und unterliegt daher auch der Versuchung.

Am Anfang des Tages stehen viele Mittel, insbesondere informatiser Art, erstmal nicht zur Verfügung. Das System wird wie bei UNIX von Ebene zu Ebene hoch und wieder runter gefahren. Der Höhepunkt ist am Nachmittag. Auf der höchsten Ebene kann man sich mal um politisches kümmern. Konfuzianer sprachen von einem ähnlichen Hochfahren von der Kultivierung der Person bis zur Ordnung der Familie und schließlich der Welt. Sie bauen aufeinander auf. Je höher man gelangt, desto höher wird auch die Virenanfälligkeit. Wer schon die Zellwände auf der untersten Ebene nicht aufbaut, dem fehlt auf den oberen jede Glaubwürdigkeit.

Hier ist eine grundätzlich plausible Tagesanordnung. 定心 下床 修身 理物 理計 理財 齊家 通信 務業 社交 平天下 社交 務業 通信 劑家 理財 理計 理物 修身 練琴 上床 定心 静心。 Entscheidend ist, ob der Tagesanfang gelingt. 一日之計在於晨。 Es kommt auf den Aufbau der Vision an. 愿景建設。 Dabei ist es auch wichtig, alle störenden Leidenschaften jederzeit abzustellen. 排除雑念。 Jedes Mal wenn sie von der Vorderhirnrinde Besitz ergreifen, ist diese zu entspannen und zur Vision zurückzuführen. Nach ein paar Mal gelingt es besser. Den Muskel der Willenskraft kann man in diesem Sinne mit Meditation üben. Bei manchen besitzergreifenden Ideen kann es helfen, sie kurz in eine Liste von Ideen zu schreiben, die später noch abgearbeitet werden können. Z.B. die Idee, aus meinem Traktat ein Video zu machen und dieses vielleicht nach VK hochzuladen, ist notiert und aufgeschoben und damit fürs erste erledigt. Wenn sie mal verwirklicht wird dann nur weil ich mir durch diszipliniertes Arbeiten den Freiraum dafür erarbeite. Leidenschaftsgesteuerte Direktumsetzung ist verboten.

Einen ähnlichen Rhythmus sollte man auch für die Woche pflegen. Der Sonntag ist der “Tag des Herrn”, der Tag der Besinnung und Rückbindung (Religion). Ein #FacebookFreierSonntag ist Minimalerfordernis persönlicher und politischer Seriosität. Was nicht ausschließt, dass man auch am Sonntag mal etwas nach Facebook teilt.

一年之計在於春。 “Der Tagesplan beginnt mit dem Morgen, der Jahresplan beginnt mit dem Frühling”. So das chinesische Idiom, wobei “Frühling” der Jahresanfang nach Mondkalender ist. Doch je größer der Planungszeitraum, desto unglaubwürdiger. Nur wenn von unten aufgebaut wird, gibt es überhaupt etwas zu planen. Viele Leute planen etwas für die nächsten zehn Jahre, aber ich habe noch nie gesehen, dass jemand so einen Plan eingehalten hätte. Umgekehrt sehe ich selten Leute, die etwas für hier und jetzt planen und noch seltenere welche, die es ausführen. So schreibt FUKUZAWA Yukichi um 1870 in “Anspornung zum Lernen” 学問の勧め.

Genau weil die Selbstbeschränkung und Selbstabgrenzung eine so schwierige Aufgabe für jedes Subjekt ist, ist Vergemeinschaftung, wie sie Sozialisten aller Art lieben, eine Absurdität. Es gibt nur die freien Bürger die das freie Volk tragen, wie FUKUZAWA lehrt. Und ihre Kraft, unfreie Subjekte, mitzutragen, ist sehr begrenzt. Der Teich kippt schnell um. Die Brüderlichkeit reicht gerade mal aus, um Solidarität in Notlagen zu üben.

救窮不濟貧。 Man rettet vor Not aber nicht vor Armut, sagt ein chinesisches Sprichwort. Wer dies verletzt, zerstört die knappe Ressource der Brüderlichkeit. Echte Solidarität bedeutet, dass man Probleme dort, wo sie entstehen löst und niemals vergemeinschaftet. Versicherungen kennen das Moralrisiko (moral hazard). Versicherung funktioniert dort gut, wo es gering ist, z.B. bei der Unfallversicherung, die gegen unverschuldete Notlagen einspringt. Gegenüber Osteuropa praktizieren Rom, Brüssel und Berlin genau das Gegenteil. Die bunten Idioten kriegen alles kaputt, weil sie keine Grenzen, keine Selbstverantwortung und somit keinen Gemeinschaft kennen. Silberjunge Thorsten Schulte landet mit seinem Buch “Kontrollverlust” einen Volltreffer. Aber nur in der Tagesmitte nach erfolgreichem Hochfahren des Systems ist Zeit, sich davon zu politischen Äußerungen hinreißen zu lassen.

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© 2008-03-07 Hartmut PILCH