Ohne Stolz keine Zukunft

Ohne Nationalstolz keine Nachhaltigkeit

Wo die Nation als generationenübergreifende Gemeinschaft wirklich lebt, dort existiert auch der Stolz der Zugehörigkeit zu dieser Nation. Entweder ist es ein Stolz auf die Leistungen und Qualitäten dieser Nation oder es ist das trotzige Bekenntnis, zu ihr stehen und an sie glauben zu wollen.

Jahrzehntelange antinationale Volkspädagogik am Ende?

Bei der Fußball-Europameisterschaft kommt ein Fahnenstolz zum Vorschein, den einige Torhüter der Vierten Gewalt schon tot geschrieben hatten. Mit viel Erstaunen und Unbehagen berichten sie darüber.

Eine frische Abgängerin der Henri-Nannen-Journalistenschule macht ihrem Unmut in der Zeitung Luft:

Vielleicht finden viele es angenehm, mal nicht einzigartig sein zu müssen, eins zu werden mit den anderen.

Das Einswerden in der berauschten Menge hat Schiller in der “Ode an die Freude” beschrieben, die in Beethovens Form zur Euro-Nationalhymne erhoben wurde. Das war aber vermutlich progressiv, weil damit die alten Identitäten zu einer größeren zusammengeschmolzen werden sollten.

Die frisch gebackene Volkspädagogin sieht die Früchte jahrzehntelanger Arbeit ihres Berufsstandes in Gefahr.

Vielleicht ist es auch so wie bei den Kindern, denen das Fernsehen verboten ist. Wenn dann die Eltern das Haus verlassen, glotzen sie auch noch, wenn ihnen eigentlich schon die Augen zufallen, wenn lange schon nichts Spannendes mehr läuft. Wenn es längst keinen Spaß mehr macht. Aber sie halten durch. Weil sie endlich die Chance dazu haben.

Haben die Deutschen nie geglaubt, mit ihrem Fahnenverzicht von früher etwas errungen zu haben? Haben sie in Wirklichkeit heimlich die Stunden gezählt, ungeduldig? Dann wären die Fahnen ihre Belohnung für all die Jahre der Entbehrung. Endlich. Die Rückkehr zur Normalität. Vaterlandsliebe wäre dann grundsätzlich wünschenswert.

Das würde dann erklären, warum ich nicht mehr sagen darf, dass mir die Bilder von “Sieg”-rufenden Deutschen Bauchschmerzen bereiten, dass ich mich unwohl fühle im Fahnenmeer. Dass es mich gruselt, wenn Deutsche sich am Deutschsein freuen, wenn Deutsche zeigen wollen, dass sie deutsch sind? Dann heißt es: “Ewiggestrige!” “Alt-68erin!”.

Ich dachte 2006, dass der Ausrutscher vorbei geht. Jetzt fürchte ich, die Fahnen bleiben. Aber noch kann man es aufhalten. Werdet fahnenflüchtig!

Dieser letzte Aufruf wirkt ähnlich hilflos wie die antipatriotische Kampagne der Grünen Jugend und die Bemühungen militanter Anti-Faschisten, Fahnenaufkleber von Autos abzureißen und durch antideutsche Belehrungensaufkleber zu ersetzen.

Die Nation existiert, Deutschland vegetiert?

“Ich bin stolz, Araber zu sein” (Je suis fière d’être Arabe), habe ich immer wieder gehört. Die das sagten, wandten sich gegen Selbstgeringschätzung und daraus folgende Selbstauflösungstendenzen ihrer Nation. Sie appellierten an einen Willen, die Zukunft gemeinsam zu meistern.

Auch in China gab es um 1990 eine solche Phase. Nach jahrelanger selbstzerfleischender Kulturdiskussion verbreitete sich die Parole “Lasst uns China auflösen”.

L’orgoglio nazionale (Nationalstolz) wird in Italien regelmäßig von allen politischen Lagern mobilisiert, wenn es darum geht, durch gemeinsame Anstrengungen die Korruption zu bekämpfen oder eine Krise zu überwinden. Ein ähnlicher Stolz trieb Spanien, sich nicht “unter den Schirm” begeben zu wollen.

Dass, wie es im Deutschlandfunk hieß, nicht die Nation, wohl aber der Nationalstolz “ausgedient” habe, könnte indes für Deutschland eine zutreffende Zustandsbeschreibung sein. Demnach vegetiert die Nation nur noch als “real existierender Nationalstaat” vor sich hin. Wie Pinocchio treibt sie unter dem Eindruck von allerlei Verführungen “ohne Ziel und ohne Stolz” vor sich hin und wird “willenlos, wie totes Holz”, schafft sich ab.

Wo die Nation als generationenübergreifende Gemeinschaft wirklich lebt, dort existiert auch der Stolz der Zugehörigkeit zu dieser Nation. Entweder ist es ein Stolz auf die Leistungen und Qualitäten dieser Nation oder es ist das trotzige Bekenntnis, zu ihr stehen und an sie glauben zu wollen.

Das berühmte Schopenhauer-Zitat ändert nichts daran. Wenn jemand ständig Anderen die Loyalität zu einer Mannschaft predigt, zu der er selbst kaum je etwas beigeträgt, wirkt das ärmlich. Mehr hat Schopenhauer nicht gesagt, und mehr stand zu seiner Zeit wohl auch nicht zur Debatte.

Wir stehen auf den Schultern von Riesen, sagte Newton. Natürlich stand er auch auf den Schultern Englands, und somit waren seine Leistungen Früchte des Systems England und aller die daran gewirkt haben und weiter wirken. Die Unfähigkeit zum Stolz hierauf ist nichts als eine Desolidarisierungserklärung. Wer das ernst meint, wird dann auch hoffentlich genug Individualstolz besitzen, um nicht Sozialhilfe zu beantragen.

Viel Unmut erregte in einem Forum die Vermutung des Deutschlandfunk-Autors, dass den Menschen so etwas wie die Loyaltität zu einer Schicksalsgemeinschaft in den Genen liege. Dabei klingt sie ohne weiteres plausibel. Dawkins erklärt den (begrenzten) menschlichen Altruismus aus dem Egoismus der auf Vervielfältigung bedachten Gene. Die Nation ist oft Maske des Staates und zweifellos, ebenso wie die Sprache, kein Naturprodukt. Aber ähnlich wie die Sprache wächst sie in langen Zeiträumen. Wer schnell mal eine neue Großraum-Nation als Maske einer Währungsunion zu gründen versucht, dem fliegt der Laden womöglich um die Ohren.

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© 2006-02-19 Hartmut PILCH