Wo die Nation als generationenübergreifende Gemeinschaft wirklich lebt, dort existiert auch der Stolz der Zugehörigkeit zu dieser Nation. Entweder ist es ein Stolz auf die Leistungen und Qualitäten dieser Nation oder es ist das trotzige Bekenntnis, zu ihr stehen und an sie glauben zu wollen. |
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Jahrzehntelange antinationale Volkspädagogik am Ende?Bei der Fußball-Europameisterschaft kommt ein Fahnenstolz zum Vorschein, den einige Torhüter der Vierten Gewalt schon tot geschrieben hatten. Mit viel Erstaunen und Unbehagen berichten sie darüber. Eine frische Abgängerin der Henri-Nannen-Journalistenschule macht ihrem Unmut in der Zeitung Luft:
Das Einswerden in der berauschten Menge hat Schiller in der “Ode an die Freude” beschrieben, die in Beethovens Form zur Euro-Nationalhymne erhoben wurde. Das war aber vermutlich progressiv, weil damit die alten Identitäten zu einer größeren zusammengeschmolzen werden sollten. Die frisch gebackene Volkspädagogin sieht die Früchte jahrzehntelanger Arbeit ihres Berufsstandes in Gefahr.
Dieser letzte Aufruf wirkt ähnlich hilflos wie die antipatriotische Kampagne der Grünen Jugend und die Bemühungen militanter Anti-Faschisten, Fahnenaufkleber von Autos abzureißen und durch antideutsche Belehrungensaufkleber zu ersetzen. Die Nation existiert, Deutschland vegetiert?“Ich bin stolz, Araber zu sein” (Je suis fière d’être Arabe), habe ich immer wieder gehört. Die das sagten, wandten sich gegen Selbstgeringschätzung und daraus folgende Selbstauflösungstendenzen ihrer Nation. Sie appellierten an einen Willen, die Zukunft gemeinsam zu meistern. Auch in China gab es um 1990 eine solche Phase. Nach jahrelanger selbstzerfleischender Kulturdiskussion verbreitete sich die Parole “Lasst uns China auflösen”. L’orgoglio nazionale (Nationalstolz) wird in Italien regelmäßig von allen politischen Lagern mobilisiert, wenn es darum geht, durch gemeinsame Anstrengungen die Korruption zu bekämpfen oder eine Krise zu überwinden. Ein ähnlicher Stolz trieb Spanien, sich nicht “unter den Schirm” begeben zu wollen. Dass, wie es im Deutschlandfunk hieß, nicht die Nation, wohl aber der Nationalstolz “ausgedient” habe, könnte indes für Deutschland eine zutreffende Zustandsbeschreibung sein. Demnach vegetiert die Nation nur noch als “real existierender Nationalstaat” vor sich hin. Wie Pinocchio treibt sie unter dem Eindruck von allerlei Verführungen “ohne Ziel und ohne Stolz” vor sich hin und wird “willenlos, wie totes Holz”, schafft sich ab. Wo die Nation als generationenübergreifende Gemeinschaft wirklich lebt, dort existiert auch der Stolz der Zugehörigkeit zu dieser Nation. Entweder ist es ein Stolz auf die Leistungen und Qualitäten dieser Nation oder es ist das trotzige Bekenntnis, zu ihr stehen und an sie glauben zu wollen. Das berühmte Schopenhauer-Zitat ändert nichts daran. Wenn jemand ständig Anderen die Loyalität zu einer Mannschaft predigt, zu der er selbst kaum je etwas beigeträgt, wirkt das ärmlich. Mehr hat Schopenhauer nicht gesagt, und mehr stand zu seiner Zeit wohl auch nicht zur Debatte. Wir stehen auf den Schultern von Riesen, sagte Newton. Natürlich stand er auch auf den Schultern Englands, und somit waren seine Leistungen Früchte des Systems England und aller die daran gewirkt haben und weiter wirken. Die Unfähigkeit zum Stolz hierauf ist nichts als eine Desolidarisierungserklärung. Wer das ernst meint, wird dann auch hoffentlich genug Individualstolz besitzen, um nicht Sozialhilfe zu beantragen. Viel Unmut erregte in einem Forum die Vermutung des Deutschlandfunk-Autors, dass den Menschen so etwas wie die Loyaltität zu einer Schicksalsgemeinschaft in den Genen liege. Dabei klingt sie ohne weiteres plausibel. Dawkins erklärt den (begrenzten) menschlichen Altruismus aus dem Egoismus der auf Vervielfältigung bedachten Gene. Die Nation ist oft Maske des Staates und zweifellos, ebenso wie die Sprache, kein Naturprodukt. Aber ähnlich wie die Sprache wächst sie in langen Zeiträumen. Wer schnell mal eine neue Großraum-Nation als Maske einer Währungsunion zu gründen versucht, dem fliegt der Laden womöglich um die Ohren. |