Notierenswertes am 01. Februar 2011

Hartmuts Betabloggereien des Tages
Esperanto 中文

Wenn meine dazu gehörigen Betaprogrammierereien weit genug kommen, könnte hieraus einmal der Materialeingang für eine mehrsprachige Wissensfabrik zu einigen Themen werden, die mich interessieren.

Gutmensch: “Verteidigung” der Getroffenen gegen einen Lexikoneintrag

Der Autor einer “Verteidigung des Gutmenschen”, Christian Nürnberger, sei “oft als Gutmensch beschimpft worden”, schreibt die Süddeutsche Zeitung, und weiter,

Das Wort perlt an ihm ab, seit er weiß, dass es von den Nazis kommt, also eine Bösmenschen-Schöpfung ist.

Nach allem was wir wissen, kam dieses Wort in den 1980er Jahren in Umlauf. Mögliche Vorläufer gab es bei Friedrich Nietzsche und Bertold Brecht, aber diese sind so weit von dem seit etwa 1990 bekannten Begriff entfernt, dass mein Versuch, Hinweise darauf in einem Wikipedia-Artikel unterzubringen, von den Platzhirschen abgelehnt wurde.

Zugleich bestehen diese Platzhirsche darauf, eine unbelegte Behauptung über eine Nazi-Herkunft des Wortes in ihrem Artikel beizubehalten, weil diese einmal auf einem Gewerkschafts-Flugblatt stand, welches sich, ebenfalls ohne Beleg, auf ein einschlägig bekanntes “Sprachforschungs-Institut” beruft.

Auf diese Wikipedia-Lüge wiederum scheint sich der SZ-Autor zu berufen.

Wie man an seiner Reaktion und an dem schwer umkämpften Wikipedia-Artikel sieht, scheint die “Beschimpfung” als “Gutmensch” an den Betroffenen keineswegs einfach abzuperlen.

Zur üblichen “Verteidigungs”-Taktik des Gutmenschen gehört es, dem Wort “Gutmensch” still und leise eine andere Bedeutung unterzujubeln, nämlich etwa die des “Weltverbesserers” oder dessen, der “seinen Müll trennt, für Amnesty International spendet und für Gleichberechtigung ist”. Ich war seit meiner Jugend überzeugter Mülltrenner, Menschenrechtler, Weltverbesserer und zugleich ein Bösmensch, der etwa im Geschichts- und Sozialkunde-Unterricht der Oberstufe immer wieder vom Lehrer vor die Tür geschickt wurde, weil er auf dessen moralisierend-verflachendes Geschwafel mit boshaften Fragen reagiert hatte. Das Gutmenschentum zeigt sich gerade nicht an gutem Handeln sondern an einer guten Selbstdarstellung, einer opportunistischen Besetzung von (gemäß einer vorherrschenden Orthodoxie) moralisch höher gelegenem Diskurs-Terrain. Somit zeigt der Gutmensch typischerweise selbst dort, wo es nichts kostet, nämlich beim bloßen kommunikativen Handeln (faires Ringen um Wahrheit, Sprachpflege), eher unterdurchschnittliches weltverbesserisches Engagement. Nürnbergers vor Selbstgerechtigkeit triefender Artikel demonstriert dies ebenso wie die Realsatire der Wikipedia-Platzhirsche. Letztere ist ferner geeignet, Nürnbergers Behauptung zu widerlegen, die Kritik am “Gutmenschentum” hätte seit etwa 2000 ihren Gegenstand verloren, da die “68er” in Politik und Medien schon nicht mehr den Ton angäben.

Diese Behauptung trifft auch deshalb ins Leere, weil der mit dem Wort “Gutmensch” bezeichnete Sachverhalt nicht erst seit 1968 oder 1944 sondern seit Jahrtausenden Gegenstand menschlicher Auseinandersetzung ist.

Über das Jiddische hat das Wort “Mensch” in ähnlicher Bedeutung Eingang ins Englische gefunden, wobei Cicero Pate stand. Gutmensch könnte man als Rückübersetzung ins Hochdeutsche verstehen. Dem (vermeintlich) Guten den Vorzug vor dem Wahren zu geben, ist ja nur allzu menschlich. Shakespeare polemisiert gegen einen “honourable man”. Götz von Berlichingen sagt: “Lehrer, du bist ein guter Mann.” Das jiddische Wort mag positiv gemeint sein, aber jedes Lob trägt den Dolch im Gewande. Das Wort “Gutmensch” soll, anders als Wörter wie “Pharisäer” oder “Scheinheiliger” die Kritik nur leicht-spielerisch im Gewande eines Lobes vortragen. Will man noch mehr loben, steht auch noch das Wort “Guter Mann” oder “Guter” zur verfügung. Wenn der gute Mann einen wiederum zu sehr ärgert, kann man ihn auch als “Bessermenschen” titulieren.

Das französische Wort “bonhomme” ist seit Jahrhunderten in Gebrauch. Mit dem “buonismo” und “buenismo” wird im Italienischen bzw Spanischen seit langem das Gutmenschentum bezeichnet. Auf Englisch behilft man sich gelegentlich mit “do-gooder”, “do-goodism” und ähnlichen improvisierten Wörtern. Dass sich im Deutschen seit etwa 1990 auf diesem Begriffsfeld ein allerseits bekanntes gebrauchsfertiges Wort eingefunden hat, ist wohl denen, die damit bedacht werden, ein besonderes Ärgernis.

So werten dann die Wikiwarte ein Wort, welches auf denkbar nette Weise einen Vorwurf in ein Lob verpackt, schon im ersten Definitionsanlauf als “Kampfbegriff” ab, um es dann in ellenlangen Exkursen mithilfe fingierter Autoritäten zum Teufelswerk zu erklären. Führende Qualitätsjournalisten der Republik atmen auf, weil der ansonsten tötende Humor nun erstmals an ihnen abperlen kann.

Getroffene HundInnen bellen bekanntlich. Richtig wild bellen sie offenbar, wenn sie die Chance wittern, das treffende Wort aus dem Wörterbuch zu tilgen.

Kindergeschichten vom türkischen Nikolaus

In Wilhelmshaven lernen Kinder schon früh, dass der Nikolaus aus der Türkei kommt und dass das Kopftuch ebenso christlich wie mohammedanisch ist.

Die Geschichte vom türkischen Nikolaus ist schon länger bekannt. Sie erinnert mich an die “Kaliningrader Klopse”, die ein Restaurant mal anbot. Die Geschichte mit dem Kopftuch erzählte Daniel Cohn-Bendit kürzlich einem erwachsenen Publikum. Sie ist belanglos, weil es nicht auf den Stofffetzen sondern auf das Desintegrationssymbol ankommt.

Studie über Muslimische Bevölkerungsentwicklung 1990-2030

Bis 2030 wird es in Europa ca 1/3 mehr Mohammedaner geben als jetzt. Das ergibt die Ende Januar 2011 veröffentlichten Studie “The Future of the Global Muslim Population” des US-amerikanischen Pew Research Center.

[ phm | 2011 | Februar | Was Wird | 28 | 27 | 26 | 25 | 24 | 23 | 22 | 21 | 20 | 19 | 18 | 17 | 16 | 15 | 14 | 13 | 12 | 11 | 10 | 09 | 08 | 07 | 06 | 05 | 04 | 03 | 02 | 01 ]
Gültiges XHTML 1.0! Gültiges CSS! deplate
http://a2e.de/dok/phm_pub110201
© 2007-11-05 Hartmut PILCH