Ist Chinesisch nicht unheimlich schwer?

Häufig gestellte Fragen an ein $(q:Sprachgenie)

Fragen der folgenden Art muss ich immer wieder beantworten.

Wo hast du Sprache X gelernt?

Man braucht zum Sprachenlernen keine Schule und keinen bestimmten Ort.

Sprache X kann man doch nur lernen, wenn man im Lande ist, oder?

Nicht unbedingt. Um sich dem Klang der Sprache auszusetzen, braucht man heutzutage nicht im Lande zu sein. Man kann sich das Land auch zu sich holen. Ich habe das fast immer so gemacht. Ich habe z.B. Japanisch jahrelang auf höchstem Niveau (Simultandolmetschen) praktiziert, bevor ich das erste Mal nach Japan kam. Freilich hatte ich zuvor in japanischen Firmen in Deutschland gearbeitet und in vielfältiger Weise ausgiebig in japanischer Sprache kommuniziert.

Wie lange braucht man, um Chinesisch zu lernen?

Ich habe es im Selbststudium ziemlich schnell gelernt. Nach 3 Monaten fing ich an zu sprechen, nach 1 Jahr konnte ich einigermaßen vernünftig Fachliteratur lesen und Briefe schreiben. Nach nunmehr über 20 Jahren lerne ich noch immer.

Ist Chinesisch nicht unheimlich schwer?

Wenn man gewisse Hürden genommen hat, ist Chinesisch eine der einfachsten Sprachen der Welt. Kaum eine andere Sprache erlaubt es, so systematisch aus ein paar Tausend Grundelementen alle Bedeutungen zusammenzusetzen. Chinesisch ist daher auch eine sehr gute Sprache für Lehrbücher, die einen Zugang zu neuen Wissensgebieten schaffen sollen. Die hohe Anfangshürde wird durch spätere niedrigere Hürden ausgeglichen. Wenn man Chinesisch nur ein wenig lernen will, ist es schwer. Wenn man es sehr gut lernen will, ist es leicht.

Wie machst du das, Sprachen so schnell und so gut zu lernen? Ist das angeboren oder gibt es da irgendwelche Tricks?

Ich weiß nicht, wie viel Veranlagung mit dabei istf, aber es liegt wahrscheinlich in noch höherem Maße an einer langen persönlichen Entwicklung von der Kindheit an hin zu etwa folgender Geisteshaltung:

  • Interesse an den Sprachen (nicht nur daran, sie mit irgendwelchen Tricks schnell zu lernen um dann Nutzen daraus zu ziehen)
  • Fähigkeit, die Botschaft von der Ausdrucksform zu trennen und das Wesentliche zu erfassen und, notfalls mit primitiven Mitteln, neu auszudrücken
  • Freude daran, mit immer neuen eigenständigen Ausdrucksitteln, ohne Anlehnung an bereits gelernte Sprachen, eine neue Sicht der Welt zu erkunden
  • Sicht der Sprache als systemhaftes Gemeingut, welches eine Hochkultur ermöglicht; dies bringt eine Art puristische Sprach-Ethik und Interesse an Kunstsprachen mit sich
  • Sinnliche Freude an Sprachlauten, Satzmelodie, Interjektionen und Lautmalerei. Wiederholtes Hören von schönen Tonaufzeichnungen ist bei Lernbeginn hilfreicher als die Beschäftigung mit schriftlichen Texten.
  • Interesse am öffentlichen Leben der jeweiligen Sprachgemeinschaft. Wer etwas mit guten Zeitungen anfangen kann, lernt auch Sprachen besser. Im späteren Stadium des Lernens kommt es mehr auf die Schriftkultur an.
  • Es gibt eine umfangreiche pädagogische und ratgebende Literatur zum Sprachenlernen. Ich habe in solchen Büchern gelegentlich geblättert und gefunden, dass sie meine Erfahrungen bestätigte.
  • Die genannte Geisteshaltung hat den Nachteil, dass sie einen allzu leicht auf die Karrierelaufbahn des Dolmetschers führt.

Ist Simultandolmetschen nicht unheimlich schwer und ermüdend?

Ich konnte es im wesentlichen auf Anhieb beim ersten Probieren. Es muss nicht anstrengend sein. Entscheidend ist, dass ich mich auf das Hören konzentriere, die wesentlichen Sinnzusammenhänge schnell erkenne und diese quasi-automatisch, ohne weitere Geistesanstrengung, wiedergebe. Je länger der Puffer-Zeitraum zwischen dem Hören und Sprechen wird, desto anstrengender wird es. Es gibt Methoden, um diesen Puffer-Zeitraum klein zu halten, aber diese sind nicht bei allen Dolmetsch-Anlässen angemessen. Bei Konferenzen in einem förmlich-zeremoniellen Rahmen arbeitet man daher zu zweit und wechselt sich alle 20 Minuten ab.

Wo lernt man Simultandolmetschen?

Man kann bei sich zu Hause mal üben, eine Fernsehsendung flüsternd zu dolmetschen. Es gibt sicherlich Institute, die Kurse darin anbieten. Als Autodidakt kann ich da aber keine Empfehlungen abgeben.

Kann eine Kunstsprache wie Esperanto oder Lojban jemals so ausdruckskräftig und poetisch sein wie eine natürliche Sprache?

Ja und Nein: in einigen wesentlichen Aspekten, aber nicht in allen, sind gute Kunstsprachen ausdruckskräftiger und poetischer als natürliche Sprachen.

Ausdruckskraft entsteht dadurch, dass sich eine Sprechergemeinschaft auf einen Satz von Zeichen und Regeln geeinigt hat, diese versteht und mit diesen spielt. Poetik ist Spiel. Es gibt sogar Leute, die Gedichte in Perl schreiben. Mit einer Logiksprache lässt sich sehr schön spielen. Gerade die wilden, unlogischen Aspekte der “natürlichen Sprache” geben für Poesie wenig her.

Die Regelsysteme von Kunstsprachen sind in mancher Hinsicht unvollständig. Es wird in jedem System Lücken geben, die erst durch den Gebrauch im realen Leben gefüllt werden. Allerdings sollte man wissen, dass auch die Gemeinde der Esperanto-Sprecher eine reiche Tradition des Sprachgebrauchs geschaffen hat, die der von natürlichen Sprachen nicht unbebdingt nachsteht und jedenfalls nicht nachstehen muss. Gebrauch und System bedürfen einander. Aus der praktizierten Kunstsprache entseht eine “natürliche Sprache”, und aus der praktizierte natürlichen Sprache entsteht in gewissem Umfang eine “Kunstsprache”. Je größer dieser Umfang ist, desto eher können wir von einer sprachlichen “Hochkultur” sprechen.

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