EU-Generalanwältin: Merkels Grenzöffnung von 2015 war rechtens

Prantl: EUGH-Richter könnten “Grundstein für eine solidarische Flüchtlingspolitik” legen

Ausgerechnet den “Motor der Integration” anzurufen, damit er anhand von Merkels Innvoation das EU-Recht weiterentwickelt, war vielleicht doch keine gute Idee, lieber Horst Seehofer!

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EU-Generalanwältin Sharpston: Merkels Grenzöffnung von 2015 war rechtens

Von wegen “Merkels Rechtsbruch”. Die so argumentieren, übersehen das EU-Recht, das Nichtzurückweisungsprinzip und die vielen Weichenstellungen seit 1967, die auf normativen Individualismus und Entnationalisierung hinauslaufen. Heribert Prantl triumphiert.

Am kommenden Mittwoch entscheidet der Europäische Gerichtshof über Angela Merkel. … Die Aktenzeichen in der Rechtssache C-490/16 und in der Rechtssache C-646/16 sind nicht nur juristische Aktenzeichen, sie sind historische Aktenzeichen.

“Nach Meinung von Eleanor Sharpston liegt Seehofer juristisch falsch, sein Gutachter, der frühere Verfassungsrichter di Fabio, auch. Die Britin ist nun nicht irgendwer, sie ist nicht irgendeine Juristin, sie ist die zuständige europäische Generalanwältin. Die Aufnahme der Flüchtlinge im Spätsommer war, so ihr Plädoyer, eindeutig rechtens.”

In ihrem Schlussantrag vom 8. Juni 2017 spricht sie von ganz außergewöhnlichen Umständen, …; sie spricht davon, dass der Gerichtshof in einer “noch nie dagewesenen, durch die Flüchtlingskrise entstandenen Sachlage” eine angepasste rechtliche Lösung zu finden habe. Und diese Lösung sieht für die Generalanwältin so aus, dass eine sture Anwendung der sogenannten Dublin-III-Verordnung nicht in Frage kommen könne.

Der Europäische Gerichtshof ist nicht an die Bewertung seiner Generalanwälte gebunden; er folgt dieser Bewertung aber sehr häufig. Wenn er dies in diesem Fall tut, erhält die Flüchtlingspolitik Angela Merkels vom Spätsommer den höchstrichterlichen Segen. Sie erhält einen Stempel auf dem steht: Die Grenzöffnung und die Aufnahme der schutzsuchenden Flüchtlinge entspricht der Herrschaft des Rechts.

Prantl meint ferner, der EUGH werde eine Rechtsauslegung liefern, die im Falle der Überlastung Italiens, wie sie sich jetzt abzeichne, die Dublin-Verordnung durchbrechen und andere Mitgliedsstaaten in die Pflicht nehmen werde.

Die Flüchtlingskrise habe Dublin III außer Kraft gesetzt, meint Sharpston laut ZEIT:

Kroatien habe die Fälle der dort Ankommenden unmöglich alle allein prüfen können, stellte Sharpston fest. Wenn Ländern mit einer EU-Außengrenze die Zuständigkeit für die Aufnahme und Betreuung außergewöhnlich hoher Zahlen von Asylbewerbern auferlegt würde, bestehe ein Risiko, dass sie nicht in der Lage seien, die Situation zu bewältigen und ihre EU-rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten. Zudem liege kein “illegaler Grenzübertritt” im Dublin-III-Sinne vor, wenn Mitgliedstaaten den Flüchtlingen gestattet hätten, in ihr Land einzureisen und es zu durchqueren, heißt es in den Schlussanträgen.

Damit entspricht Sharpston ganz dem Drängen der ZEITgeistlichen MenschenrechtlerInnen. “Der Skandal heißt Dublin” lautet etwa ein paralleler Artkel der Hamburger.

LTO berichtet ausführlich über den Schlussantrag. Es gibt dort besonders viele kritische Anmerkungen rechtskundiger Leser. Viel Unbehagen erregt die Bereitschaft der Generalanwältin, unter “besonderen Umständen” Regellosigkeit zu akzeptieren. Von einer “Herrschaft des Unrechts” (Seehofer) scheint das nicht weit entfernt zu sein. Allerdings wurde diese Herrschaft nicht von Merkel erfunden, und Seehofer scheint ausgerechnet ihre Gralshüter als Schiedsrichter angerufen zu haben.

Der EUGH hat den Schlussantrag seiner Generalanwältin auch in deutscher Fassung veröffentlicht. Es gibt ferner eine englischsprachigen Presseerklärung.

Summum Ius Summa Iniuria

Im EU-Recht hat das Nichtzurückweisungsprinzip einen überragenden Stellenwert. Das Interesse der Nationalstaaten an Fortbestand hat hingegen bestenfalls einen geringen Stellenwert. Di Fabio bemüht sehr grundsätzliche Argumente, die dem Asylrecht Grenzen zu setzen versuchen, aber beim EUGH kaum verfangen können:

„Das Grundgesetz garantiert jedem Menschen, der sich auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland befindet und ihrer Herrschaftsgewalt unterworfen ist, eine menschenwürdige Behandlung (Art. 1 Abs. 1 GG). Das Grundgesetz garantiert jedoch nicht den Schutz aller Menschen weltweit durch faktische oder rechtliche Einreiseerlaubnis. Eine solche unbegrenzte Rechtspflicht besteht auch weder europarechtlich noch völkerrechtlich. Entsprechende unbegrenzte Verpflichtungen dürfte der Bund auch nicht eingehen.

Eine universell verbürgte und unbegrenzte Schutzpflicht würde die Institution demokratischer Selbstbestimmung und letztlich auch das völkerrechtliche System sprengen, dessen Fähigkeit, den Frieden zu sichern, von territorial abgrenzbaren und handlungsfähigen Staaten abhängt. … Eine völkerrechtliche Verpflichtung zur unbegrenzten Aufnahme von Opfern eines Bürgerkrieges oder bei Staatenzerfall besteht nicht und wäre im Falle ihres Bestehens ein Verstoß gegen die unverfügbare Identität der Verfassungsordnung.“

Wie sollte der Motor der Europäischen Integration, als der der EUGH sich versteht, solchen Argumenten zustimmen? Sie würden bedeuten, dass der Übertragung von Souveränität von Deutschland auf höhere Ebenen Grenzen gesetzt wären. Es gibt aber kaum einen stärkeren Motor der Integration als die Flüchtlingsrevolution, die diese Mitgliedsstaaten durchschüttelt.

Deshalb schließt der Europäist und Menschenrechtspapst Heribert Prantl mit einer hoffnungsvollen Note:

Wenn Europa Glück hat, setzen die Richter in Luxemburg in der kommenden Woche diesem System der Unverantwortlichkeit ein Ende. Deshalb widme ich diesem Thema den ganzen Newsletter. Wenn Europa Glück hat, legen die Richter in Europa den Grundstein für eine solidarische Flüchtlingspolitik.

Ohne Austritt aus EU, EMRK und GFK ist nichts zu wollen, liebe rechtstreue Rechtspopulisten! Wer einfach nur auf der Seite des Rechts stehen und “Merkel muss weg” rufen will, schliddert im Grunde genommen schon Merkel auf ihrer und unserer abschüssigen Spur hinterher. Wir haben es hier nicht vorrangig mit juristischen sondern mit politischen Fragen zu tun. Die Verlagerung politischer Fragen auf das Europarecht ist nicht die Lösung sondern das Problem. Heribert Prantl, Georg Restle und der durchschnittliche Grüfri von Heute sind nicht Linksextremisten sondern biedere egalitärfrömmlerische Anhänger des herrschenden Rechts.

Im Namen der Menschlichkeit für die Unterprivilegierten

Generalanwältin Sharpston verärgert gerade viele Briten weil sie darauf besteht, dass der EUGH es sei, der über die Bedingungen des BREXIT entscheidet.

Von Sharpston stammen auch weitere innovative Schlussanträge. Zuletzt setzte sie z.B. das Recht auf Asyl für wegen ihrer Homosexualität benachteiligte Personen durch Am 20. Juni plädierte sie dafür, dass die Dublin-Verordnung kein Vertrag zwischen Staaten mehr sei sondern Asylbewerbern individuelle Klagerechte gebe. Wenn Verfahren verschleppt werden, bekommen demnach die Antragsteller, in diesem Fall Eritreer, neue Rechte.

Familismus ist menschenfeindlicher Hass. Wie Böse sich des Rechts bemächtigte, zeigt eine Parabel.

Nachträge

BIF übernimmt.

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© 2017-07-24 Hartmut PILCH