Sieben Gewohnheiten politisch wirkungsmächtiger Bürger

Mit der richtigen Selbstdisziplin können wir auch als Gruppe durch politische Minenfelder navigieren

Das Buch “Sieben Gewohnheiten wirkungsmächtiger Menschen” lehrt, wie man zunächst eine selbstverantwortliche Person wird und wie hierauf dann gesellschaftliches Handeln aufbaut. Daraus folgen politische Gewohnheiten, die es einer Gruppe ermöglichen, Tabuthemen anzugehen, ohne sich im Kampf zwischen Maulhelden und Abgrenzern selbst zu zerlegen.

Die 3 grundlegendsten persönlichen Gewohnheiten nach Covey (Seven Habits of Highly Effective People) sind die der Selbstverantwortlichkeit, Planung und Konzentration auf das Wichtige. Allein aus der ersten Gewohnheit lässt sich schon ein politischer Verhaltenskodex ableiten. Ein Verhaltenskodex ist wiederum ein natürlicher Ausfluss der zweiten Gewohnheit.

Wirkungsmächtige Individuen und Gruppen geben sich ihre Verfassung (mission statement). Wenn eine Gruppe von Fremdherrschaft (etwa die AfD-Basis von Lucke) frei sein und trotzdem in schwierigem Terrain navigieren will, braucht sie das. Wer keine Heteronomie will, braucht Selbstdisziplin.

Dabei nützt eine Einigung auf “19 politische Forderungen” von Pegida und dergleichen wenig. Im Gegenteil, eine solche Einigung verletzt sogar die Grundsätze der Selbstverantwortung. Der Bürger ist erst einmal nur dafür zuständig, seine Sorgen richtig zu artikulieren. Wer gleich zu Forderungen schreitet, agiert nicht mehr als mündiger Bürger sondern als Parteiführer-Stimmvieh. Aber gerade von dem Parteiführer-Stimmvieh-Paradigma gilt es, sich zu befreien.

Bei dem zu etablierenden Verhaltenskodex geht nicht darum, sich hinsichtlich der politischen Inhalte zu mäßigen, sondern darum, Gewohnheiten zu entwickeln, die uns ganz von selbst von den meisten Fallstricken fern halten, und uns zu gleich zu befähigen, dort, wo es darauf ankommt, unkonventionell zu denken. Es geht in vielfacher Hinsicht um einen Ausgang aus der selbstverschuldeten politischen Unmündigkeit.

Ich habe schon einmal auf einer Montagsdemonstration einen mit heißer Nadel gestrickten ersten Entwurf als Faltblatt verteilt, das als PDF-Datei und LaTeX-Quelltext vorliegt. Jetzt muss die Vertiefung folgen. Nach und nach ordne ich die Faltblattinhalte neu.

Faltblattinhalte

In meinem Flugblatt “Warum ich montags demonstriere” trete ich aktiv dem üblichen Argumentum ad Personam entgegen, mit dem die wahrheitsscheuen Leitmedien gerne versuchen, Bürger von der Teilnahme an Pegida-Demonstrationen abzuschrecken:

Ich kenne inzwischen viele der Montagsdemonstranten. Mein Eindruck bestätigt eine Studie der TU Dresden, wonach es sich um relativ gebildete und beruflich erfolgreiche Bürger mit Durchschnittsalter von 48 Jahren handelt. Wir sind das Volk, und sogar ein recht buntes. …

Wir demonstrieren nicht gegen Flüchtlinge sondern für eine restriktive Asylpraxis. Pogromlust, Sündenbockhetze und Verschwörungstheorie überlassen wir gerne den Gegendemonstranten. Uns interessieren Regeln und Einwirkungsmöglichkeiten. Wir wollen als mündige Bürger zu einem souveränen Staat beitragen. Nationale und andere Sozialisten hätten bei uns schlechte Karten. Die Medien schießen sich auf “Nazis” ein, um Patrioten zu treffen. Sie warnen vor einem “Extremismus der Mitte”. Mit außerparlamentarischer Opposition kennen sie sich aus. Sie fürchten den überfälligen Paradigmenwechsel.

Diese Erklärung greift teilweise der Wirklichkeit vor. Es ist ein sehr hoher Anspruch, den ich hier stelle. Aber ohne solche Ansprüche an uns selbst zu stellen, können wir nicht wachsen. Wir müssen uns gegenseitig versprechen, dass wir uns an solchen Ansprüchen messen lassen wollen. Sonst kann niemand guten Gewissens mit einem Faltblatt für die anderen einstehen.

Wer nicht hohen Ansprüchen genügen will, sollte lieber Gutmensch werden. Gutmenschen können es sich erlauben, ohne jegliche geistige Leistung für sich einen Heiligenschein zu beanspruchen. Erlangens SPD-Bürgermeister darf die hochkarätigen Autoren des Zwischentages als “Pack” bezeichnen. Wir dürfen das nicht. Wir müssen uns mühsam Schritt für Schritt Vertrauen erarbeiten.

Der Klassiker “Die Sieben Gewohnheiten wirkungsmächtiger Menschen” (The 7 Habits of Highly Effective People) von Stephen Covey erklärt sehr gut, wie man zunächst eine selbstverantwortliche und eigenen Vorgaben treue Person wird (Gewohnheit 1-3) um sich darauf aufbauend gesellschaftliches Vertrauen zu verdienen (Gewohnheit 4-6). Es ist ein mühsamer Vorgang, der ständig geübt werden muss (Gewohnheit 7).

Eine wesentliche Motivation für das Leben nach den 7 Gewohnheiten ist der Gedanke an die Sterbebetterfahrung. Am Ende des Lebens bereut kaum jemand, dass er nicht noch bessere Filme gesehen oder mehr Geld verdient hat. Vielmehr bereuen die Menschen, dass sie nicht sich selbst beherrscht und in den Dienst ihrer Familie, ihrer Nachkommen und ihres Landes gestellt haben. Das ist auch der Grund, warum ich jede Woche wenigstens einen Teil meiner Zeit mit Euch auf der Straße verbringe. Wenn man will, kann man es auch als eine Art Gottesdienst verstehen. Ein Minimum an regelmäßiger ego-transzendierender Orientierung, auf dem aufgebaut werden kann.

Aus den Sieben Gewohnheiten lassen sich auch die von mir gewünschten politischen Gewohnheiten herleiten.

Die aller grundlegendste Gewohnheit ist die der Selbstverantwortlichkeit. Ein Paradebeispiel für diesen Charakterzug ist der Josef des Alten Testaments. Während Josefs Brüder wie normale Firmenangestellte über ihre Umgebung schimpfen und Schuldige ausmachen, über die sie lästern können, macht sich Josef nützlich. Er geht von seinen eigenen Möglichkeiten aus. Er konzentriert sich seine Gelegenheiten statt auf die Übel der Welt. Er wird schließlich Schritt für Schritt zum Assistenten diverser sehr unvollkommener Vorgesetzter und hilft, diese auf bessere Wege zu führen.

Für die Politik bedeutet dies, dass man seine Einflussmöglichkeiten auslotet. Als Normalbürger ist unser Hebel das Recht und der Rechtsstaat. Man hört uns dann zu, wenn wir Wissen beitragen können, und dazu gehört immer als erstes rechtliches Grundwissen. Je weniger uns dieses Wissen geläufig ist, desto mehr neigen wir dazu, Sündenböcke zu konstruieren, um Volkswut auf diese zu lenken, wie Josefs Brüder es taten und wie die Linke es uns vormacht. Jean Ziegler und Heribert Prantl sind besonders durch verlorene Verleumdungsprozesse bekannt geworden. Ziegler ist mit Schuldzuweisungen viel schneller als mit Analyse von Zusammenhängen, und er fordert gerne mal die Todesstrafe für Nahrungsmittelspekulanten. Als Linker darf er das, aber was den Inhabern der Diskurshoheit zusteht steht uns nicht zu. Wir müssen uns wie Josef hocharbeiten. Sogar dann, wenn wir für eine Verschwörungstheorie viele Beweise gesammelt haben, sollten wir sie lieber zurückhalten, denn wir stempeln uns damit zu Verlierern. Die Verschwörungstheorie hilft uns nicht, unsere Einflussmöglichkeiten zu vergrößern. Vielmehr liefert sie uns nur eine Ausrede für unsere Untätigkeit. Wir erklären uns damit selber nur, wie übermächtig und unbesiegbar der Gegner wäre.

Es mag sein, dass irgendwelche finsteren Mächte dem Grafen Kalergi-Coudehoven folgen. Aber notwendig ist diese Erklärung nicht, und sie verdeckt unseren Blick für das selbstabschafferische Paradigma, das mich zum Demonstrieren motiviert, wie ich auf meinem Faltblatt erkläre. Die Verschwörungstheorie benebelt unseren Verstand, erhöht allenfalls zeitweilig unseren Adrenalinpegel und macht uns zu Stimmvieh, welches nur nach einer Partei oder einer starken Bewegung ruft aber selber nichts tun wird. Solches Stimmvieh wird aber niemanden überzeugen, und deshalb wird es das bestehende selbstzerstörerische Paradigma immer nur stärker machen. Mit dem Parteiführer-Stimmvieh-Modell lässt sich nichts mehr reißen.

Genau so schädlich ist für uns in jeder Hinsicht die Pogromlust. Menschen als “Dreckspack” bezeichnen zu dürfen, ist ein Privileg von SPD-Bürgermeistern. Wer den unbändigen Drang verspürt, Mitmenschen zu verunglimpfen, zu vertreiben oder zu boykottieren, muss in unserer Republik Gutmensch werden.

Ebenso eines mündigen Bürgers unwürdig ist die Unsitte der Rachefantasie. Theodor Körner war ein Held, aber sein Spruch bringt uns nicht weiter. Man schwelgt nicht in Fantasien über etwas, was man nicht einlösen kann. Man schwelgt auch nicht in Fantasien über ein künftiges Anwachsen von Pegida oder gar über die Entstehung eines Retters, dem man als Stimmvieh hinterherlaufen kann. Damit überzeugt ein Mann genau so wenig wie er durch Masturbieren eine schöne Frau für sich gewinnen kann. Der Anführer der 47 japanischen Samurai, Ôishi Kuranosuke, verwirklichte die große Rache nur dadurch, dass er seiner Mannschaft ständig kalte Duschen verpasste und die Willensschwachen aussortierte.

Eine weitere Unsitte ist die des Schreibens langer Offener Briefe an Frau Merkel, Herrn Putin, den Papst oder dergleichen. Konfuzius sagt “Auf wessen Position du nicht sitzest, dessen Politik sollst du nicht machen”. Es schadet zwar nicht, sich in Frau Merkel hineinzudenken. Aber das ist nur eine private Denkübung. Jeder sollte wissen, wo sein Wirkungskreis ist, und diesen Kreis bearbeiten. Wer den Kreis falsch wählt, wird nur immer weniger ernst genommen.

Deshalb ist es auch ein Fehler, “19 Forderungen” und ähnliches aufzustellen. Auch das zeugt von Selbstüberschätzung. Wir sind weit entfernt davon, uns den Kopf des Gesetzgebers zerbrechen zu müssen. Stattdessen sollten wir lieber “19 Sorgen” formulieren. Dazu gehört zum Beispiel die Sorge, dass nach geltendem Asylrecht im Jahr 2100 etwa 6 Milliarden Menschen aus Afrika und Südasien bei uns aufenthaltsberechtigt sein werden. Wie genau das Asylrecht zu reformieren ist, ist zunächst nicht unser Problem.

Damit verwandt ist die Unsitte von Forenbetreibern, ihr Publikum mit irritierenden Nachrichten aufzuhetzen und ihnen dann einen Addressaten für hasserfüllte oder belehrende Briefe zu liefern. Negative Energie nützt nur wahrheitsscheuen Skandalisierungsmedien und Stimmvieh-Parteiführern. Wirkungsmächtige Bürger verschwenden ihre Zeit nicht mit Hassbriefen oder Belehrungen. Sie setze vielmehr bei den Adressaten an, bei denen sie ein offenes Ohr vermuten, und bemühen sich wie Josef, sich ihnen nützlich zu machen.

Wenn ein Politiker mal vernünftige Reformideen zum Asylrecht erörtert, liest man in vielen Facebook-Gruppen den Kommentar: “Nicht reden, machen”. Daraus spricht das Stimmvieh-Selbstverständnis. Der mündige Bürger erwartet nicht von Politikern, dass sie etwas machen. Stattdessen greift er dankbar jeden Ball auf, um selber etwas zu machen. Er weiß, dass die Asylrechssituation so verfahren ist, dass man für jede Spielvorlage dankbar sein muss.

Der mündige Bürger recherchiert den Stand der Gesetzgebung. Wenn er über ein Gerichtsverfahren berichtet, sucht er den Originalwortlaut des Urteils heraus. Sofern er ein Urteil nicht sehr gut studiert hat, kritisiert er nicht die Richter. Er unterstellt ihnen zum Beispiel nicht ohne fundierte Argumentation einen “Ausländerbonus”. Hier handelt es sich höchstwahrscheinlich auch nur um Versuche, mal wieder jemanden außerhalb des eigenen Einflusskreises zu beschuldigen, um Stimmung zu machen. Daraus lässt sich aber politisch nichts produktives machen. Die Judikative ist die Grundlage der Gewaltenteilung und damit ein Ast, auf dem wir als politisch mündige Bürger sitzen. Man verletzt nicht leichtfertig das wohlbegründete Tabu der Richterschelte.

Wenn der mündige Bürger Zeit in Diskussionen verbringt, dann versucht er, die dabei gelernten Erfahrungen systematisch zugänglich zu machen. Hierzu dienen Antwortensammlungen (FAQs), Argumentationsleitfäden und ähnliche Webseiten. Es darf nicht sein, dass die Erfahrungen im Orkus von Facebook verloren gehen.

Ein weiterer Fehler ist die Abgrenzeritis. Wir müssen nicht dauernd beteuern, dass wir für Israel und gegen Faschismus sind. Wir müssen nicht über irgendwelche Stöckchen springen. Wir müssen nur die Sieben Gewohnheiten verinnerlichen und zu wirkungsmächtigen Bürgern werden. Dann kommen wir gar nicht in die Nähe der meisten Fettnäpfchen, und dort, wo wir hineintreten, tun wir es bewusst aus gutem Grund.

Der wirkungsmächtige Mensch geht von Innen nach Außen vor (inside-out). Er lässt sich nicht von einer Übermacht negativer Signale beeindrucken. Er setzt sich nicht dauernd der Flutung durch Informationen aus. Vielmehr arbeitet er an seiner eigenen Vertrauenswürdigkeit gegenüber sich selbst und anderen. Er sieht die politische Beunruhigung als eine Bedrohung der eigene Willenskraft. Er kennt die Fallstricke von Dopamin und digitaler Demenz und grenzt den reaktiven Teil seiner politischen Tätigkeit ein. Es kommt mehr auf den aktiven Teil an. Eigene Webseiten und Flugblätter sind besser als Facebook-Likes. Frank Borgmann agiert besonders vorbildlich. Er hat mit seinen Webseiten und Infotischaktivitäten schon viel mehr und bessere Materialien erarbeitet als alle Pegida-Gruppen zusammen.

Pegida stelle ich mir als eine GmbH vor, die unabhängig agierende Kleingruppen aller Art logistisch unterstützt. Jeder soll in eigenem Namen oder im Namen einer Kleingruppe auftreten. Dann wird er sich auch besser überlegen, was er sagt. Es ist gut, an entscheidenden Stellen gezielt Tabus zu brechen, aber das will überlegt und verantwortet werden. Es ist nichts, was man aus der Anonymität heraus hinter einem Namen wie Pegida tun sollte. Ein einzelner Name ist sehr leicht zu ruinieren, und die Presse hat dies bezüglich Pegida auch schon weitgehend erreicht. Mit der Entschlossenheit eines Ôishi Kuranosuke kann man natürlich trotzdem dagegen ankämpfen. Das gelingt aber am besten dann, wenn man von innen nach außen vorgeht.

Es gibt verschiedene Anliegen, für die man sich unterschiedliche Gruppen einsetzen können. Mir fällt aufs erste ein: Asylunrecht, Islamisierung, Euro, neuer kalter Krieg, Menschenrechtsextremismus, neojakobinischer Tugendterror, Umwelt- und Klima-Schuldkult, Unterminierung von Ehe und Familie. Es muss noch nicht einmal die Sache von Pegida sein, hierzu Positionen zu formulieren geschweige denn ein monolitisches Angriffsziel zu bieten. Es kommt vielmehr auf die Aktivierung des mündgen Bürgers an.

Wenn mal nicht viele Bürger zum Demonstrieren kommen, ist das eine umso bessere Gelegenheit, sich kennen zu lernen und Synergien zu bilden. Eine Gruppe von Bürgern, die die 7 Gewohnheiten verinnerlichen, entfaltet sehr viele Synergien. Sie wird wirkungsmächtig und zieht weitere Bürger in ihren Bann. Bei ihr ist 1+1 = 1600. Sie wird nicht die Politik der nächsten Bundesregierung diktieren, aber sie weiß ohnehin, dass es darauf nicht ankommt. Ihr Mitglieder wissen, wo ihre Einflusskreise liegen, wie sie diese vergrößern können und wie sie gemeinsam die Einflusskraft der Gruppe vergrößern können. Nur darauf kommt es im Moment an.

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© 2015-07-11 Hartmut PILCH